Köln (DGNR) – Die Thrombolyse, kurz Lyse, sorgt nach einem Schlaganfall dafür, dass sich Blutgerinnsel im Gehirn auflösen. Doch die Mehrzahl der Schlaganfallpatienten profitiert offenbar gar nicht von dieser Infusionstherapie. Dies teilten jetzt Experten der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) im Rahmen des Kongresses neuroRAD in Köln mit.
Ein Schlaganfall ist eine der Hauptursachen für Behinderungen und Pflegebedürftigkeit im Alter. Auslöser ist meist eine Minderdurchblutung des Gehirns. Es kommt zu einem vorübergehenden oder dauerhaften Ausfall von Gehirnfunktionen. Eine Halbseitenlähmung oder Sprachstörungen können die Folgen sein.
Bei einer Lysetherapie verabreichen Ärzte Betroffenen ein Enzym, das Blutgerinnsel in den Arterien auflöst. „Der größte Teil der Schlaganfallpatienten kann jedoch gar nicht mit der Lyse behandelt werden“, berichtet Professor Dr. med. Rüdiger von Kummer, DGNR-Präsident und Leiter der Abteilung Neuroradiologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden.
Hierfür gebe es vielfältige Gründe: Oft erreichen Betroffene die Klinik erst nach viereinhalb Stunden – dem Zeitfenster, in dem die Thrombolyse wirkt. In anderen Fällen hat eine Hirnblutung den Schlaganfall ausgelöst oder kann nicht ausgeschlossen werden, da kein Computer- oder Magnetresonanztomograph zur Verfügung steht. Auch hier hilft eine Lysetherapie nicht, da diese die Blutung verstärken würde.
Aber auch bei den Patienten, die heute eine Lysetherapie erhalten, bleibt der Erfolg in den meisten Fällen aus. „Der Anteil der Patienten, die dann wirklich einen Nutzen aus der Lysetherapie ziehen, liegt bei maximal 13 Prozent“, so von Kummer im Vorfeld der DGNR-Jahrestagung.
„Unter den 87 Prozent, die leer ausgehen, sind glücklicherweise zwischen 25 und 45 Prozent, die die Behandlung nicht nötig haben und sich spontan bessern. Doch was ist mit den verbleibenden Patienten? Wie können wir hier die Behandlung verbessern“, fragt der DGNR-Präsident weiter.
So zeigt eine Lysetherapie nur eine kurzzeitige Wirkung, wenn der Gefäßverschluss durch eine Arteriosklerose – also verkalkte Gefäßwände – hervorgerufen wurde. „Da hat sich dann noch ein kleiner Thrombus draufgesetzt. Diesen kann man mit einer Lysetherapie vielleicht kurzfristig auflösen. Allerdings wird sich das Gefäß sehr schnell wieder verschließen“, erklärt von Kummer. Deshalb sollte bei diesen Patienten neben der Lyse auch eine Gefäßerweiterung per Katheter durchgeführt werden.
Diese ließe sich auch zusätzlich durch einen Stent unterstützen. Es hat sich gezeigt, dass sich die Rekanalisationsrate mit Hilfe eingeführter kleiner Instrumente gegenüber der reinen Lyse verdoppeln lässt. „Bei der Behandlung des Herzinfarkts ist eine invasive Vorgehensweise an den Herzkranzgefäßen seit Jahren üblich. Wir müssen das Prinzip auch bei der Schlaganfallbehandlung vermehrt einsetzen“, fordert der DGNR-Präsident.
Welchen Patienten eine Katheterbehandlung helfen würde, lässt sich nach Auskunft des Neuroradiologen heute gut mit der Computer- und Magnetresonanztomographie feststellen. Im Vordergrund müsse hier allerdings die Gefäßdiagnostik stehen.
„Die Ursache des Schlaganfalls sind Gefäßkrankheiten. Doch bislang hat man sich bei der Diagnostik viel zu sehr auf das Gehirn selbst konzentriert und die Gefäße vernachlässigt“, erklärt von Kummer. Viele Kliniken seien in der Lage, Diagnostik und Katheterbehandlung ohne große zeitliche Verzögerung durchzuführen.
Bei einigen Patienten mit schweren Hirninfarkten müsse auch überlegt werden, ob eine Operation sinnvoll sei, bei der die Schädeldecke zur Druckentlastung geöffnet wird. „Studien zeigen, dass dadurch eine weitere Ausdehnung des Infarkts verhindert und die Überlebensfähigkeit des Patienten gesteigert werden kann”, berichtet von Kummer.