Dallas/Ulm (rd.de) – Von heute an gelten neue Leitlinien für die Wiederbelebung beim plötzlichen Herztod. American Heart Assosciation und European Resuscitation Council passen ihre Leitlinien nach fünf Jahren an den Stand von Wissenschaft und Forschung an.
Da sich der Kenntnisstand im Bereich der Reanimation ständig weiterentwickelt, müssen die Leitlinien regelmäßig überarbeitet werden. Ein Komitee, bestehend aus über 300 renommierten, internationalen Experten, erstellt alle fünf Jahre auf Basis des aktuellen Wissens neue Behandlungsmethoden. Die jetzt in Kraft gesetzten Leitlinien sind das Ergebnis einer Konferenz, die im Februar 2010 in Dallas stattgefunden hat.
Die von der American Heart Association (AHA) herausgegebenen „Leitlinien 2010 für Herz-Lungen-Wiederbelebung und kardiovaskuläre Notfallmedizin“ ersetzen die Vorgängerversion aus dem Jahr 2005 und werden weltweit als maßgebliche Vorgabe für die Wiederbelebung anerkannt.
Die aktuelle Fassung macht die Wiederbelebung vor allem für medizinische Laien deutlich einfacher, betont Dr. Heinzpeter Moecke, Konzernbereichsleiter Medizin & Wissenschaft der Asklepios Kliniken und Mitherausgeber der ab heute gültigen deutschen Fassung: „Wir hoffen, dass nun mehr Menschen die Reanimation im Notfall überhaupt beginnen und dass so ein paar Hundert Menschenleben pro Jahr in Deutschland gerettet werden.“
Für den Laien wird die Erste Hilfe einfacher, weil er sich auf die Herzdruckmassage konzentrieren soll und die Beatmung weniger im Vordergrund steht. Eine für die Profis relevante Neuerung ist die hohe Frequenz der Herzdruckmassage und die nur sehr kurze Unterbrechungszeit für Intubation und Defibrillation. „Das war zwar in vielen Ausbildungen bereits übliche Praxis, aber nun ist es als Leitlinie wissenschaftlich fundiert und anerkannt“, so Moecke
C-A-B statt A-B-C
Der wichtigste Unterschied zur bisherigen Praxis ist, dass die Reihenfolge der Erstmaßnahmen geändert wurde. Galt bisher die A-B-C-Regel für „Airway (Atemwege freimachen), Breathing (Beatmung) Chest compressions (Herzdruckmassage)“, steht heute die Herzdruckmassage im Vordergrund – notfalls zunächst als alleinige Maßnahme. Die ab heute gültige Reihenfolge lautet also C-A-B: Herzdruckmassage, Atemwege freimachen, Beatmen. Steht nur ein Helfer zur Verfügung, der nicht in der Herz-Lungen-Wiederbelebung geschult ist, sollte er nach Alarmierung des Rettungsdienstes nur eine kräftige und schnelle Herzdruckmassage anwenden und auf weitere Maßnahmen verzichten, bis die Rettungskräfte die Versorgung des Patienten übernehmen.
Herzdruckmassage: Schneller und tiefer!
Studien haben gezeigt, dass die ununterbrochene Herzdruckmassage die wichtigste Maßnahme einer erfolgreichen Wiederbelebung ist. Dabei sollte der Brustkorb bei Erwachsenen mindestens 100 Mal pro Minute mindestens fünf Zentimeter tief eingedrückt werden. Bei Kindern liegt diese Tiefe bei fünf Zentimetern, bei Säuglingen bei vier Zentimetern. Damit gehen die neuen Leitlinien deutlich über die bisherigen Empfehlungen hinaus – sowohl was die Frequenz als auch was die Tiefe der Kompression angeht.
Zeitgleich führt auch das European Resuscitation Council (ERC) und der Deutsche Rat für Wiederbelebung (German Resuscitation Council, GRC) die neuen europäischen Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation ein. Die Leitlinienkonferenz in Dallas legte hier den Maßstab für die anstehenden Änderungen. Die Botschaft an Laienhelfer ist noch klarer geworden. Prof. Bernd Böttiger, Chairman des ERC und Dr. Dr. Burkhard Dirks, Vorsitzender des GRC und Sektionsleiter für Notfallmedizin am Universitätsklinikum Ulm, betonen: „Schnell und tief drücken und sofort beginnen! Wenn der Patient nicht antwortet oder reagiert, dann drücken Sie mitten auf die Brust mindestens fünf Zentimeter tief, mindestens 100-mal pro Minute.“
Das Wichtigste bei der Wiederbelebung sei die Herzdruckmassage. Jeder – auch ein Kind – könne das leisten. Diese simple Maßnahme ist sicher und verbessert die Überlebenschancen des Patienten wesentlich. Notfallzeugen, die darin ausgebildet sind und sich trauen, sollen die Herzdruckmassage mit Mund-zu-Mund-Beatmung kombinieren: 30 Kompressionen, dann zwei Beatmungen.
Klare AED-Empfehlung
„Zahllose Studien zur Effektivität der Wiederbelebungsmethoden wurden für die neuen ERC-Leitlinien 2010 gesichtet, das Augenmerk galt einer überzeugenden wissenschaftlichen Evidenz und Vereinfachung“, sagt Dr. Jerry Nolan, ERC Vorstandsmitglied. Neben der Herzdruckmassage ist der zweite Schwerpunkt der Einsatz eines automatisierten externen Defibrillators (AED), der jetzt an vielen Orten in der Öffentlichkeit zu finden ist. Die neuen ERC-Leitlinien empfehlen den Gebrauch der Defibrillatoren ganz klar: AED´s sind einfach anzuwenden, da der Benutzer durch gesprochene Anweisungen sicher geführt wird. Frühe Defibrillation kann, kombiniert mit Herzdruckmassage, bei vielen Patienten mit Kreislaufstillstand Leben retten.
Bedeutung der Hypothermie bekräftigt
Außerdem bestätigen die ERC-Leitlinien 2010 die Bedeutung der therapeutischen Hypothermie nach Kreislaufstillstand. Kühlt man den Patienten nach dem Kreislaufstillstand 12 bis 24 Stunden lang auf 32-34°C, erhöht dies die Chance auf ein Überleben ohne Hirnschaden signifikant. Dennoch wird diese einfache Methode bisher nur von wenigen Rettungsdiensten und Kliniken in Europa angewendet.
Die ERC-Leitlinien 2010 empfehlen, die Hypothermiebehandlung auf Neugeborene nach Sauerstoffmangel unter der Geburt auszuweiten. Sofort begonnene tiefe Herzdruckmassage, frühe Defibrillation und therapeutische Kühlung sind die Schlüsselfaktoren der Wiederbelebung nach den nun aktualisierten Leitlinien. Prof. Böttiger folgert: „Wir können 100.000 Leben pro Jahr in Europa retten, wenn alle – Laien und professionelle Helfer – sich an dieser Strategie beteiligen und sich kümmern.“
Weitere Information, die Komplettausgabe der Leitlinie und Poster für Laien und professionelle Helfer, sind im Internet unter www.erc.edu (englisch) oder www.grc-org.de (deutsch) frei verfügbar.
Ein Broschüre mit den wichtigsten Änderungen der Leitlinien in deutscher Sprache findet man ferner hier:
http://www.american-heart.at/startseite/neue_guidelines_2010