Köln (rd_de) – Zum internationalen Tag des Ehrenamts, sprach rettungsdienst.de mit Harald Schottner – Referatsleiter Notfallvorsorge beim ASB-Bundesverband – über die Veränderungen, denen das Ehrenamt im Rettungsdienst ausgesetzt ist. Schottner warnt vor Kommunalisierungen im Rettungsdienst, weil damit wichtige Strukturen im Bevölkerungsschutz beschädigt werden und betont, dass das Ehrenamt auch künftig noch einen Platz im Rettungsdienst finden muss, weil andernfalls das System der integrierten Hilfeleistung ins Wanken gerät.
rd.de: Mit dem Auslaufen des Zivildienstes verlieren die Hilfsorganisationen ein wichtiges Rekrutierungspotenzial für künftige ehrenamtliche Helfer im Rettungsdienst. In welchen Umfang – soweit sich das zum jetzigen Zeitpunkt absehen lässt – ist die Kombination aus FSJ und Bundesfreiwilligendienst hierfür ein Ersatz?
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Schottner : Zwar ist seit der Verkürzung der Dienstzeiten ein Rückgang der Zivildienstleistenden zu verzeichnen, aber selbstverständlich lassen sich noch ehrenamtliche Helfer dadurch für die Hilfsorganisationen rekrutieren, auch wenn die Zahl leider nicht mehr so groß ist, wie noch vor einigen Jahren.
Das Auslaufen des Zivildienstes wird aber ungleich stärker die sozialen Dienste beeinflussen. Es muss nun realisiert werden, dass das FSJ und der Bundesfreiwilligendienst so gestaltet werden, dass es für die Hilfsorganisationen entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten gibt, um die jungen Menschen auch für die ehrenamtliche Arbeit im Bevölkerungsschutz zu begeistern.
rd.de: In diesem Jahr hielt uns vor allem das Thema Ausschreibung in Atem. Durch die Notwendigkeit zur EU-weiten Ausschreibung steht zu befürchten, dass einzelne Rettungswachen an private Mitbewerber verloren gehen. Ist der Erhalt des Kompetenzfeldes Rettungsdienst dadurch regional in Gefahr und mit ihm das notwendige ehrenamtliche Personal für Sanitätsbetreuungen?
Schottner: Die Ausschreibung bedeutet nicht nur, dass einzelne Rettungswachen an private Mitbewerber verloren gehen können. Der ASB steht, wie auch die anderen Hilfsorganisationen in diesem Fall, dann oft vor dem Problem, dass mit dem Wegfall des Rettungsdienstes auch das ehrenamtliche Potenzial verloren geht. Dies betrifft jedoch nicht nur den Bereich der Sanitätsbetreuung, sondern gerade auch die Gefahrenabwehrpotenziale, die dabei gefährdet werden. Ein privater Anbieter wird nie dasselbe Interesse haben, den ehrenamtlichen Bereich ernsthaft zu fördern, wie beispielsweise die Hilfsorganisationen. Und die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind nun mal das Rückrat des deutschen Bevölkerungsschutzsystems. Es gibt durchaus Möglichkeiten, die ernsthafte Förderung des Ehrenamtes und die Berücksichtigung des Katastrophenschutzes mit den Anforderungen des Wettbewerbsrecht zu vereinbaren. Diese Möglichkeiten müssen nun dringend ausgeschöpft werden, ansonsten werden wir bereits in einigen Jahren mit massiven Einbrüchen bei der Zahl der freiwilligen Helferinnen und Helfer rechnen.
rd.de: Bedeutet diese Entwicklung unter Umständen, dass mehr Veranstaltungen künftig auch mit hauptamtlichen Personal abgesichert werden muss?
Schottner: Hier werden zwei unterschiedliche Aufgabenfelder der Hilfsorganisation miteinander vermischt. Zunächst muss es um den Bevölkerungsschutz an sich gehen, und dann um die Absicherung von Veranstaltungen durch freiwilliges Personal. Hier greifen die unterschiedlichen Systeme ineinander und ergänzen sich. Daher auch die Bezeichnung für den deutschen Bevölkerungsschutz als „Integriertes Hilfeleistungssystem“.
Der ASB als Hilfsorganisation und Wohlfahrtsverband gilt als Organisation, die sich in den letzten Jahren mehr denn je um ihre Freiwilligen bemüht. Dementsprechend sind unsere Gliederungen auch gut aufgestellt, mit motivierten und gut ausgebildeten Helferinnen und Helfern.
Allerdings sehen auch wir durchaus die Forderungen einer zunehmenden Professionalisierung bei der Betreuung von Veranstaltungen. Professionalität aber bedeutet auch, dass entweder die Freiwilligen mehr Zeit für Aus- und Fortbildung investieren müssen, oder eben der Einsatz von hauptamtlichem Personal notwendig wird, was aber kaum finanzierbar sein wird. Auch nicht für die Kommunen, die ja häufig die Anforderung stellen.
rd.de: Viele Kommunen – längst nicht nur in den neuen Bundesländern – versuchen Ausschreibungen durch die Kommunalisierung zu vermeiden. Ist die Kommunalisierung des Rettungsdienstes für den ASB das “kleinere Übel” oder sind die Wirkungen dieses Trends gleichermaßen schädlich?
Schottner: Die aktuelle Debatte und die Tendenzen der Kommunalisierung sieht der ASB sehr kritisch. Wir können die Meinung nicht teilen, dass es sich um das „kleinere Übel“ handelt. Im Gegenteil, wir sehen hier die Gefahr, dass langfristig Strukturen zerstört werden, die nicht mehr oder nur schwer zu reparieren sind. Wir sehen es als unsere Aufgabe, auch die Kommunalpolitik davon zu überzeugen, dass die Kommunalisierung als Ausweg aus einem Vergabeverfahren nicht die richtige Alternative sein kann.
Es ist wichtig, dass die Verantwortlichen das gesamte System der Daseinsvorsorge betrachten und nicht den Rettungsdienst als isolierte Leistung. Der Katastrophenschutz und der erweiterte Rettungsdienst dürfen nicht aus dem System herausgelöst werden! Im Übrigen ist die Kommunalisierung in der Regel deutlich teurer. Berechnet man dann noch das, was die Hilfsorganisationen zusätzlich für die Absicherung der Bevölkerung leisten, schon durch die Förderung des ehrenamtlichen Engagements, wird auch die finanzielle Tragweite recht deutlich.
rd.de: Die fortschreitende Professionalisierung im Rettungsdienst wird sich in einem neuen Rettungsassistentengesetz niederschlagen. Es ist nicht nur die Verlängerung der Ausbildung auf drei Jahre, sondern auch die erweiterten Versorgungsmaßnahmen, die den Rettungsassistenten künftig mehr Verantwortung auferlegen. Ist der ehrenamtlich tätige Rettungsassistent ein Auslaufmodell?
Schottner: Schon heute ist eine ehrenamtliche Tätigkeit im Rettungsdienst nicht mehr einfach zu leisten. Aus- und Fortbildung erfordern berechtigterweise einen hohen Zeitaufwand. Es ist durchaus anzunehmen, dass es mit dem neuen Gesetz nur noch wenige oder keine Ehrenamtlichen mehr im Rettungsdienst geben kann. Aber unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass auch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bereit sind, diesen Aufwand auf sich zu nehmen. Im Übrigen geht es nicht nur um die Rettungsassistentenausbildung, sondern auch um die Rettungssanitäter, die in einer großen Zahl in den Katastrophenschutz- und Bevölkerungsschutzkonzepten berücksichtigt sind. Diese Helferinnen und Helfer werden sicherlich auch zukünftig im Rettungsdienst ihren Platz finden müssen.
rd.de: Im Bevölkerungsschutz wird man auf ehrenamtliche Rettungssanitäter nicht verzichten wollen. Mir stellt sich die Frage, wie man solche Einsatzkräfte durch praktischen Einsatz bei Laune und natürlich auch im Training halten will?
Im Bevölkerungsschutz baut man neben dem hier angesprochenen Katastrophenschutz der Länder auch auf die Ergänzung des Bundes, die Medical Task Forces. Hier sieht die Regelung vor, dass die Einsatzkräfte zum Rettungssanitäter ausgebildet werden sollen. Und hier trifft genau das zu, was ich eben sagte: Der Rettungssanitäter wird seinen Platz im Rettungsdienst behalten müssen. Und sei es in Form von regelmäßigen Hospitationen. Dazu ist es aber nicht erforderlich, bewährte Strukturen aufzubrechen. Bei der Frage, wie die Helferinnen und Helfer bei Laune gehalten werden, verweise ich auf das schon genannte Engagement, das gerade die Hilfsorganisationen leisten. Wir bieten neben dem Rettungsdienst eben auch andere interessante Bereiche und halten die Ehrenamtlichen bzw. Freiwilligen damit über Jahrzehnte beim ASB.
Die ehrenamtliche Arbeit im Bevölkerungsschutz, und dazu zählt auch der Rettungsdienst, wird sich zwar verändern, aber sicherlich bleiben müssen, denn ansonsten wird ein System der integrierten Hilfeleistung ins Wanken geraten.