Notruf 112 – Deutschland hinkt hinterher

112-145Bonn (rd.de) – Heute, am 11. Februar 2011, findet der Europäische Tag des Notrufs 112 bereits zum dritten Mal statt. Gemäß einer aktuellen Umfrage ist nur 18 Prozent der befragten Bundesbürger bekannt, dass in allen 27 Ländern der EU und weiteren Ländern bei medizinischen Notfällen die 112 gewählt werden sollte. Aus deutscher Sicht nicht das einzige Defizit im Zusammenhang mit der 112.

Die Harmonisierung der Notrufnummer in ganz Europa ist in Deutschland nicht ausreichend bekannt. Dabei kann man mit der 112 jederzeit Feuerwehren, Rettungs- und Hilfsdienste in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie darüber hinaus auch in der Türkei, der Schweiz, Serbien, Island, auf den Färöern sowie in Liechtenstein, Norwegen, Andorra, Monaco und San Marino erreichen. Grund genug, die 112 intensiv zu bewerben. Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) organisiert gemeinsam mit dem Internet-Radio 112 heute eine ganztägige Sondersendung, in der Experten und Akteure vor Ort zu Wort kommen.

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Deutschland bei der 112 kein Vorreiter

Deutschland hat sich bei der Einführung der 112 nicht leicht getan. „Der so genannte ‚Euro-Notruf 112’ bietet eine verlässliche Verbindung zu einer Leitstelle und damit schnellstmögliche Hilfe“, sagt Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech und verliert dabei kein Wort über die enormen lokalen Widerstände beim DRK, die 19222 zugunsten der 112 aufzugeben.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann räumt weiße Flecken ein, verspricht aber, im Laufe dieses Jahres komplett auf die 112 umzustellen. Der Durchbruch der 112 fällt in Bayern mit der Einführung und Inbetriebnahme der Integrierten Leitstellen zusammen. Bislang sind jedoch erst 17 der 26 geplanten Leitstellen in Betrieb.

Schwachpunkt Notrufannahme

Bei der Steiger-Stiftung sieht man bei der Notrufannahme noch einiges an Verbesserungspotenzial. Deutsche Notrufzentralen können beispielsweise keine Daten untereinander austauschen, da die Systeme nicht einheitlich und damit nicht kompatibel sind. Bei Großschadenslagen sind die deutschen Notrufzentralen oft in kürzester Zeit überlastet, da es keinen Überlauf und keine Entlastung durch andere Leitstellen aufgrund mangelnder Vernetzung gibt. Notrufe via SMS können in Deutschland ebenfalls nicht an die Leitststellen abgesetzt werden.

Eine Mehrsprachigkeit für ausländische Mitbürger und Touristen ist außer in grenznahen Gebieten ebenfalls nicht oder kaum gegeben. Nicht einmal englischsprachige Mitarbeiter sind in allen deutschen Notrufzentralen rund um die Uhr anwesend. Ebenso wenig gibt es flächendeckend die Möglichkeit, telefonische Anweisungen zur Anleitung von Erste-Hilfe-Maßnahmen zum Beispiel im Rahmen einer Herz-Lungen-Wiederbelebung Ersthelfern mitzuteilen.

Ein gutes Vorbild ist Tschechien mit modernen, vernetzten Leitstellen, die im Katastrophenfall alle gleichzeitig Notrufe entgegennehmen, die Rettungskräfte disponieren und steuern können. Dortige Notrufzentralen können mindestens in sieben und tagsüber sogar in bis zu 18 Fremdsprachen kommunizieren. In Großbritannien antworten Leitstellen-Disponenten aktuell sogar in 78 Fremdsprachen rund um die Uhr. Im Nachbarland Luxemburg ist der SMS-Notruf möglich, und in den meisten europäischen Notrufzentralen werden dem Anrufer Maßnahmen zur Ersten Hilfe durch qualifiziertes Personal mitgeteilt.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Die vernichtende Bestandsaufnahme des deutschen Leitstellenwesens überrascht mich in keinster Weise.

    Solange Kosteneinsparungen (ohne ausreichend Disponenten können einem EH aus zeitgründen keine Tipps gegeben werden) und regionales Herrschaftsdenken von Organisationen oder Verantwortlichen über die Versogungsqualität gestellt wird, wird sich daran auch nichts ändern. Zertifizierung von Leitstellen scheint als überflüssig angesehen zu werden…

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  2. die “Rückständigkeit” in Deutschland hängt IMHO vorallem an den unzähligen kleinen und kleinsten Kreisleitstellen, die es in vielen Bundesländern noch gibt. Besetzt i.d.R. durch die Feuerwehr und seit Jahrzehnten “das hamma scho imma so gmacht” Dazu kommt untereinander nicht kompatible Technik unterschiedlicher Bauarten und -Alters.

    Was die “Überlastung” angeht – das ist der 112 geschuldet, die als EINZIGE Notrufnummer beworben wird. Völlig klar, dass bei einem Unwetter extrem viele Leute “die Feuerwehr” anrufen wollen. Medizinische Notfälle haben dann eben Sendepause, wenn 128 Keller voll Wasser stehen und 256 Äste/Bäume auf der Strasse liegen.”Früher” konnte man in manchen Bundesländern wenigstens noch unter der 19222 den Rettungsdienst erreichen, der i.d.R. vom Unwetter relativ unbeeindruckt arbeiten kann.

    Eine EU-weit einheitliche Notrufnummer ist sinnvoll, keine Frage. Es macht aber wenig Sinn, dafür gewachsene Rufnummern (xxx=Feuerwehr, yyy=Rettung, zzz=Polizei) aufzugeben. Der Bürger weis i.d.R. sehr genau, welchen Fachdienst er benötigt und wählt die entsprechende Rufnummer. Weis er nix, wählt er die EU-Notrufnummer 112 und erreicht – so der Sinn der Nummer – damit eine 24h besetzte Notrufleitstelle egal welchen Fachgebiets.

    Weis der Geier, wieso ausgerechnet die “deutsche” 112 als EU-Notrufnummer ausgewählt wurde. Es wäre besser die 911 geworden, die in den USA bekannt ist. Damit hätte man nämlich eine (fast) weltweit bekannte Notrufnummer auch in der EU etabliert….

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  3. Die Geier wisse es, das waren die deutschen Feuerwehren und dass ist gut so, denn ansonsten wollten die Franzosen glaube ich die 18 oder 118 oder so ähnlich. Was die Überlastung angeht, so muss man halt mittels Digitaltechnik entsprechend viele Leitungen anbieten und/oder bei zeitaufwendigen Einsätzen wie Hochwasser oder Stürme die Disposition über die Telefonzentralen der Feuerwehren laufen lassen, die en Masse vorhanden sind. Jeder Landkreis hat zumindest in Bayern eine sogenannte Nachalarmierungsstelle oder deren drei, so dass bei oben genannten Einsätzen jederzeit die Leitstelle entlastet werden kann. Für mich stellt sich hier kein Problem, mann muss nur wollen und sich gegenseitig nicht madig machen.

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  4. @Sani0815: DIe 112 ist völlig zu Recht die einzige nichtpolizeiliche Rufnummer. Ed gibt, was man in Umfragen immer wieder seiht, genug Leute, die erstaunlicherweise selbst diese nicht kennen. Bei der Zusammenlegung von Leitstellen werden Disponentenstellen gestrichen, DAS ist das eigentliche Problem und sorgt für Überlstungen. Anstatt medizinische Notfälle auszugliedern sollte man lieber eine einheitliche Rufnummer für weniger dringliche Dinge (wie beispielsweise die genannten Keller) einführen.
    Außerdem möchte in anmerkten, dass die 112 in weiten Teilen Deutschlands schons ehr lange die “gewachsene” Rufnummer für den Rettungsdienst war. Nicht immer von sich auf andere schließen. Und warum man die 911 hätte einführen sollen, wenn die 112 in Europa bereits vorher gut verbreitet war bzw. Notrufnummern anderer Länder ähnlich waren, leuchtet mir beim besten Willen nicht ein. Ach noch was: Bei der 911 läuft ALLES auf. Wurde da einen Absatz höher nicht noch das Gegenteil gefordert?

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  5. Mit der Einführung der Integrierten Leitstellen in Bayern sind aber leider die Nachalarmierungsstellen abgeschafft worden, da ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme nurnoch die ILS berechtigt ist Notrufe von der 112 entgegen zu nehmen und auch nurnoch die ILS alarmieren darf. Aber so weit ich weis soll die 19222 weiterhin in den Leitstellen in Bayern auflaufen, soll zwar dann nurnoch die Nummer für Krankentransporte sein, aber immerhin noch eine Alternative. Und zum vernetzten kann ich nur sagen, dass in Bayern alle ILS miteinander vernetzt sind und beim Ausfall einer ILS, jede andere ILS die Notrufabfrage, Alarmierung und Funkverkehr übernehmen kann.

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