Bonn (rd_de) – Bund und Länder wollen auf extreme Großschadenslagen besser vorbereitet sein. Deshalb ist ein Konzept erarbeitet worden, das unter anderem das Element „Medizinische Task Force“ (MTF) vorsieht. Eine Medizinische Task Force soll zur Unterstützung der medizinischen Versorgung im Katastrophenfall dienen. Lesen Sie hier mehr zu den Planungen.
Die Kernelemente des neuen Ausstattungskonzeptes des Bundes dienen insbesondere der Bewältigung eines Massenanfalls Verletzter sowie chemischer, biologischer, radioaktiver und nuklearer Gefahrenlagen (CBRN). Das neue Ausstattungskonzept sieht hierzu drei wesentliche Kernelemente vor:
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die Analytische Task Force zur Unterstützung der örtlichen Einsatzleitung mit Fachwissenschaftlern und Spezialmesstechnik bei komplexen CBRN-Lagen,
die standardisierte, ergänzende Ausstattung bei CBRN-Lagen und
die Medizinische Task Force (MTF) zur Unterstützung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung im Katastrophenfall.
Dieses neue Konzept dient dazu, den gewandelten Anforderungen des Bevölkerungsschutzes unter Berücksichtigung neuer Gefahren von nationaler Bedeutung Rechnung zu tragen. Gleichzeitig sollen die ehrenamtlichen Kräfte weiterhin einbezogen werden.
Die Entwicklung, die zentrale Beschaffung sowie die Ausrüstung der Einsatzfahrzeuge und der Ausstattung obliegen dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), landläufig auch Bundesamt für Katastrophenschutz genannt.
Medizinische Task Force: taktische Einheit mit Spezialaufgaben
Die Medizinische Task Force ist eine taktische Einheit mit Spezialaufgaben. Grundsätzlich bietet sie ein besonderes Verstärkungspotential zur Unterstützung regulärer Einheiten des Sanitätsdienstes im Bevölkerungsschutz.
Die Primäraufgaben von Medizinischen Task Force-Einheiten bestehen in der Dekontamination Verletzter sowie im Aufbau und Betrieb einer Verletzten-Dekontaminationsstelle. Darüber hinaus versorgt eine Medizinische Task Force Verletzte bzw. Erkrankte durch den Aufbau und Betrieb eines Behandlungsplatzes. Auch beim Patiententransport kann die Medizinische Task Force die vorhandenen Ressourcen unterstützen.
Sekundäre Aufgaben der Medizinischen Task Force-Einheiten sind es, Patientenablagen und/oder Sichtungsstellen aufzubauen bzw. zu betreiben. Auch der Unterhalt einer Verletzten-Dekontaminationsstelle vor einem Krankenhaus sowie von Unfallhilfsstellen zählt nicht zu den zentralen Aufgaben der Medizinischen Task Force-Einheit.
Ziel ist es, bundesweit flächendeckend insgesamt 61 Medizinische Task Force-Einheiten vorzuhalten. Die Aufstellung der Medizinischen Task Force-Einheiten wird durch die Länder geregelt, Feuerwehren und Hilfsorganisationen steuern an den geplanten Standorten der Fahrzeuge die erforderlichen Einsatzkräfte bei.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Eine Medizinische Task Force ist nicht für den Ersteinsatz vor Ort konzipiert oder als Alternative zu einer Schnell-Einsatz-Gruppe zu sehen! Die Aufgabe einer Medizinischen Task Force ist es, überörtliche Hilfeleistung durchzuführen. Ihr Einsatz ist daher im Katastrophen- und Zivilschutzfall ab der Versorgungsstufe 3, insbesondere jedoch für die Versorgungsstufe 4 vorgesehen.
Bei einem Ereignis der Stufe 3 bedarf es eines dauerhaft erhöhten lokalen oder regionalen Spezialschutzes für Einrichtungen, Lokalitäten und Regionen mit erheblich erhöhtem Risiko. Es besteht die Notwendigkeit, deutlich mehr und/oder spezielle Ressourcen vorzuhalten. Die Stufe 4 umfasst ausgewiesenen Sonderschutz durch Task Forces und Kompetenzzentren für außergewöhnliche Gefahren- und Schadenlagen. Bund und Länder legen diese gemeinsam fest.
Typische Merkmale für ein Einsatzszenario der Stufe 4 (dynamische Flächenlage) ist ein Schadensgebiet, bei dem eine Zerstörung der Infrastruktur vorliegt. Bestehende Kommunikations-, Versorgungs- und Verkehrsstrukturen wie Telefonnetze, Internetverbindungen, Strom-, Wasser- und Gasleitungen oder Verkehrswege stehen nur eingeschränkt oder überhaupt nicht zur Verfügung. Der Grundschutz in Form des normalen Rettungsdienstes und Katastrophenschutzes ist in einer solchen Situation überlastet und die Ressourcen ausgeschöpft.
In solchen Situationen würden die Medizinischen Task Force-Einheiten zum Zuge kommen. Hierbei wäre es sehr wichtig, dass die Medizinischen Task Force-Einheiten problemlos überregional zusammengeführt und eingesetzt werden könnten. Nach derzeitigem Planungsstand sollte die Einsatzfähigkeit einer Medizinischen Task Force innerhalb von 90 Minuten nach Alarmierung erreicht sein.
Medizinische Task Force: modularer Aufbau
Um möglichst alle denkbaren katastrophenmedizinischen Lagen beherrschen zu können, ist eine Medizinische Task Force modular aufgebaut. Die Modularität ermöglicht es, verschiedene Einsatzoptionen flexibel abzudecken und unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte zu setzen. Konkret gliedert sich die Medizinische Task Force hierbei in fünf Teileinheiten:
Führung,
Behandlung,
Dekontamination Verletzter,
Patiententransport und
Logistik/Betreuung.
Abgesehen von der fachlichen Ausstattung bedürfen diese Einheiten eigener Führungsmodule und logistischer Komponenten. Nur so ist sichergestellt, dass eine Medizinische Task Force 48 Stunden und länger im überörtlichen Einsatz führungs- und einsatzfähig bleibt.
Neben der Beschaffung neuer Fahrzeuge sowie der Ausbildung qualifizierter Helfer wurden im Zuge der bundesweiten Einführung von Medizinischen Task Force-Einheiten zwei Pilotstandorte eingerichtet. Je einer dieser Standorte befindet sich in Hessen und Rheinland-Pfalz.
Die Führungskräfte der Teileinheit Führung leiten entweder die gesamte Medizinische Task Force oder eines bzw. mehrere Teileinheiten im Einsatzfall. Zu den Aufgaben gehören unter anderem Voraus- und Erkundungsführungen, die Verbindung zur Einsatzleitung vor Ort sowie die Einbindung der Medizinischen Task Force-Einheiten in das Einsatzgeschehen. Zudem kann sie bei Bedarf die selbstständige Führung des Einsatzes vor Ort übernehmen.
Die Teileinheit Behandlung hat die Möglichkeit, einen Behandlungsplatz mit Einsatzkräften und ihrer Ausstattung zu ergänzen oder in der Versorgungsstufe 4 selbstständig aufzubauen und zu betreiben. Als Planungsgröße wird ein Behandlungsplatz 50 (BHP 50) zugrunde gelegt. Die Ausstattung und Verbrauchsgüter einer Medizinischen Task Force erlauben die Behandlung von zweimal 50 Patienten der folgenden Sichtungskategorien:
I 15
II 10
III 20
IV 5
EX 0
Alternativ können 50 Patienten über 48 Stunden medizinisch versorgt werden, falls kein Transport möglich sein sollte.
Die Möglichkeiten der Teileinheit Dekontamination Verletzter umfassen die Einrichtung und den Betrieb einer Verletzten-Dekontaminationsstrecke sowie einer Patientenablage in einem kontaminierten Randgebiet. Durch die Teileinheit Transport stehen zusätzliche Transportkapazitäten zur Verfügung. Neben der medizinischen Erstversorgung von Verletzten kann der überwachte Transport von zwei liegenden oder einem liegenden und einem sitzenden Patienten je KTW erfolgen.
Die Teileinheit Logistik/Betreuung ist im Einsatz dem Führungs-Modul unterstellt und versorgt alle anderen Teileinheiten unter anderem mit Verbrauchsgütern sowie technischer Hilfe. Zudem organisiert es für die Medizinische Task Force-Helfer Verpflegung, Ruheplätze und Sanitäranlagen bei längeren, überörtlichen Einsätzen.
Folgende Positionen sind nach derzeitigem Stand für eine Medizinische Task Force vorgesehen:
Verbandführer (VFü)
Zugführer (ZFü)
Führungsassistent (FüAss)
Gruppenführer (GrFü)
Truppführer (TrFü)
Sprechfunker (SpFu)
Melder (Me)
Kraftfahrer (Kf)
Fachberater der einzelnen Module (FaBe)
Rettungssanitäter (RS)
Sanitäter (San)
Ärztlicher Leiter (ÄLt)
Notarzt (NA)
Jede Medizinische Task Force-Einheit umfasst im Grobkonzept 21 Fahrzeuge mit acht verschiedenen Fahrzeugtypen und zirka 113 Helfern, welche in Doppelbesetzung vorgesehen sind. Insgesamt werden für die Medizinischen Task Force-Einheiten bundesweit 1.242 Fahrzeuge angeschafft.
Um als Helfer die Aufgaben in einer Medizinischen Task Force-Einheit bewältigen zu können, ist eine spezielle Zusatzausbildung notwendig. Diese baut auf die friedensmäßige Katastrophenschutzausbildung der Länder auf. Alle Helfer durchlaufen dabei eingangs zunächst den gleichen Ausbildungsblock. Dieser besteht aus Kursen zur Einführung und Arbeitsweise einer MTF (acht Stunden), vermittelt die korrekte Handhabung der Persönlichen Schutzausrüstung bei CRBN-Gefahren (19 Stunden) und behandelt in zwei Blöcken auch das Thema psychosoziale Notfallversorgung. Ein Block bezieht sich hierbei auf den Umgang mit körperlich unversehrten Betroffenen (zum Beispiel Patienten, Angehörige, Augenzeugen). Der andere Block widmet sich der Prävention von Einsatzkräften. Jeder Block wird zwei Stunden umfassen. Darüber hinaus erhalten die einzelnen Funktionen jeweils eine MTF-aufgabenspezifische Zusatzausbildung, die auf die zivile sanitätsdienstliche Ausbildung aufbaut.
Text: Dr. Sandra Mitic und Holger Schmidt (beide BBK). Dieser Artikel entstand mit freundlicher Mitwirkung von: Harald Ecker (HMDIS), Pilotstandort MTF 34, sowie Klaus Hofmann (DRK LV RP), Pilotstandort MTF 40; Symbolfotos: Markus Brändli; 05.08.2015