10 Jahre Qualitätsstandards in der Psychosozialen Notfallversorgung
(Bild: Markus Brändli)Bonn (BBK/DGUV) – Am 10. November 2010 wurden auf Initiative des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) bundeseinheitliche Leitlinien und Qualitätsstandards zur Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) verabschiedet. 120 Delegierte aus 40 Behörden setzten ihre Unterschrift unter die verbindliche Vereinbarung.
Wie bewältigen Einsatzkräfte der Gefahrenabwehr außergewöhnlich belastende Ereignisse? Wie kommen Betroffene von Katastrophen und terroristischen Anschlägen mit dem Erlebten zurecht? Wie können sie dabei bestmöglich unterstützt werden? Das sind die zentralen Fragen, mit denen sich die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) beschäftigt.
Die PSNV hat sich aus der Einsatzpraxis der Gefahrenabwehr heraus seit den 1990er-Jahren strukturell und fachlich professionalisiert. Seit großen Schadenslagen wie dem Flugschau-Unglück in Ramstein oder dem Zugunglück in Eschede wuchs die Erkenntnis, dass die gute technische Ausstattung und das gute medizinische Know-how im Einsatzwesen durch psychosoziale Hilfen für Betroffene und Einsatzkräfte ergänzt werden muss. Der sogenannte Konsensus-Prozess PSNV 2007 bis 2010 diente der Qualitätssicherung dieser Versorgungsstruktur und wurde aus dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe heraus initiiert und moderiert.
PSNV: Prävention statt Pathologisierung
Die PSNV arbeitet mit der Grundannahme, dass zunächst immer personale und soziale Ressourcen der Betroffenen aktiviert werden. PSNV-Angebote der psychosozialen Unterstützung und der Heilkunde wirken ergänzend oder ausgleichend, wenn diese Ressourcen (zeitweise) fehlen oder für die Bewältigung des Erlebten nicht ausreichend sind.
Die Philosophie der PSNV ist somit Prävention. Leitend ist der sogenannte salutogenetische Ansatz, der sich nicht an Defiziten, sondern an Fähigkeiten und Ressourcen orientiert. Die PSNV wendet sich damit ausdrücklich gegen die Pathologisierung von Notfallbetroffenen und belasteten Einsatzkräften und gegen eine Pauschalisierung der Unterstützungsbedarfe.
Diese Grundannahme ist nur eine von insgesamt 31 Leitlinien und Qualitätsstandards, die im Verlaufe des Konsensus-Prozesses in Arbeitsgruppen formuliert und vor zehn Jahren einstimmig verabschiedet wurden. 120 Delegierte aus 40 Behörden und Organisationen waren an diesem Prozess beteiligt.
Seit 2010 haben die Notfallseelsorge und die Hilfsorganisationen, Feuerwehren, THW, Öffentlicher Gesundheitsdienst und Katastrophenmedizin oder die Polizeien und der Berufsverband der Psychologinnen und Psychologen auf Basis des Konsensus-Prozesses weitere Standards und Positionspapiere entwickelt. Begriffe der PSNV fanden Eingang in die DIN-Norm „Begriffe im Rettungswesen“. Ein großer Erfolg ist auch die Stärkung der PSNV auf Länderebene: Mittlerweile gibt es in allen Bundesländern PSNV-Beauftragte, Ansprechpersonen oder Zentralstellen, in den überwiegenden Fällen über die Innenbehörde installiert.
Rechtliche Grundlage fehlt
Obwohl schon viel erreicht wurde, gibt es dennoch keinen Stillstand. Die Ausbildung der PSNV-Kräfte muss weiter professionalisiert werden. Eine ständige Herausforderung ist nach wie vor der Übergang von der Akutbetreuung hin zu einer mittel- und langfristigen Versorgung.
Auch eine rechtliche Absicherung von Maßnahmen der PSNV für Betroffene einer Notfallsituation und Einsatzkräfte könnte einen wichtigen Impuls für die Verbesserung einer verlässlichen, planbaren und qualifizierten Betreuung in Notfällen und komplexen Schadenslagen bieten, heißt es in einer Veröffentlichung des BBK.
Neuer PSNV-Leitfaden für Einsatzkräfte
Kürzlich ist der kostenlose „Leitfaden Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte“ (DGUV Information 205-038) neu erschienen.
Diese Information der Deutschen gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) vermittelt Kenntnisse über mögliche Belastungen im Dienst bei einer Einsatzorganisation, psychisch bedingte Reaktionen des menschlichen Körpers auf außergewöhnliche Ereignisse, Hilfsangebote der Psychosozialen Notfallversorgung und den Ablauf einer medizinischen Betreuung nach einer mit dem Einsatzdienst im Zusammenhang stehenden Schädigung der psychischen Gesundheit. Sie dient Einsatzkräften als Hilfe, Gefährdungen für die Psyche zu erkennen und Angebote zur Reduzierung der Belastung wahrzunehmen sowie diese anzufordern.
Die Publikation richtet sich vorrangig an Einsatzkräfte von Feuerwehren, Hilfeleistungsorganisationen und des Technischen Hilfswerks, enthält darüber hinaus aber auch Hinweise für die verantwortlichen Unternehmerinnen und Unternehmer (z. B. Gemeinde, Stadt, Landkreis, Land bzw. Bund, Hilfeleistungsorganisationen). Die DGUV Information wurde im Sachgebiet „Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen“ des Fachbereichs „Feuerwehren, Hilfeleistungen, Brandschutz“ erarbeitet und ihre Veröffentlichung im Fachbereich beschlossen.
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