Was Kinder nach Katastrophen brauchen

(Bild: Suntrup/BBK)Bonn (BBK) – Das Forschungsprojekt „Kind und Katastrophe“ (KiKat) gibt Empfehlungen für die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) bei Kindern und Jugendlichen. Die Ergebnisse wurden kürzlich vorgestellt.

Wie gehen Eltern und Rettungskräfte damit um, wenn Kindern etwas zustößt? Ganz gleich, ob Kinder und Jugendliche unmittelbar betroffen sind oder Zeugen eines Notfalls werden – sie brauchen Begleitung, um das Erlebte zu verarbeiten.

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Studien haben belegt, dass Kinder besonders häufig Belastungen zeigen. Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Ängste und Vermeidungsverhalten können z. B. noch Monate später belasten. Auch Schwierigkeiten in der Schule oder Konflikte im Familiensystem können durch Notfallerfahrung verursacht sein.

Um Kinder vor solchen Auswirkungen zu bewahren, hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) das Projekt „Kind und Katastrophe“ (KiKat) initiiert und mit 370.000 Euro gefördert.

Die Referatsleiterin für Psychosoziales Krisenmanagement im BBK, Dr. Jutta Helmerichs, plädiert dafür, dass sich Eltern und Rettungskräfte bereits vorab mit einem solchen Szenario auseinandersetzen: „Auch wenn man Kinder und Jugendliche nicht vollständig auf Notfälle vorbereiten kann, ist es sinnvoll, mit Kindern kindgerecht über Notfallvorsorge zu sprechen. Und dafür ist eine Vorbereitung notwendig.“

Die Leitung des Projektes hat Prof. Dr. Harald Karutz von der Medical School Hamburg (MSH) inne. Nach drei Jahren Forschung ist er erfreut über die Ergebnisse der Studie: „Mit dem Projekt ist es uns erstmals gelungen, die Erfahrungen der in der PSNV tätigen Kolleginnen und Kollegen auch wissenschaftlich abzusichern.“

Für die Studie wurden unter anderem Interviews mit elf betroffenen Familien sowie 18 Expertinnen und Experten geführt und unzählige weitere Quellen – darunter 138 internationale Publikationen – ausgewertet. Zusätzlich befragten die Forscher um Prof. Karutz 814 Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der PSNV sowie 91 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten zu ihren Einschätzungen und Erfahrungen.

Kinder und Jugendliche in Einsatzplänen zu wenig berücksichtigt

Zwar seien in Deutschland Grundstrukturen für die psychosoziale Notfallversorgung speziell für Kinder und Jugendliche vorhanden, und es werde in diesem Bereich bereits gute Arbeit geleistet. Im internationalen Vergleich falle jedoch auf, dass die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in den Einsatzplänen strukturell noch zu wenig beachtet werden.

So verwenden zum Beispiel die Vereinten Nationen (UN) im Rahmen humanitärer Hilfe standardisierte, kinderfreundliche Schutz- und Spielräume. In den USA kommen sogenannte „Disaster Child Care Volunteers“ zum Einsatz – Freiwillige mit einem pädagogischen Hintergrund wie etwa Erzieherinnen und Erzieher. Als Fachkräftepool unterstützen diese Freiwilligen die regulären Kriseninterventionskräfte und vermitteln Ruhe, Halt und Geborgenheit gerade bei potenziell traumatischen Erfahrungen. Dies sollte auch in deutschen Einsatzplänen berücksichtigt werden, fordert Karutz.

Der Betreuungsschlüssel für Lagen mit Kindern und Jugendlichen variiert je nach Alter. Ohne eine wie oben genannte Unterstützung geraten die regulär verfügbaren Dienste daher schnell an ihre personellen Grenzen.

Betreuungslücke nach dem Notfall

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass eine Betreuungslücke zwischen der Akutversorgung und einer sich gegebenenfalls anschließenden Traumatherapie klafft. Laut der Studie fangen die Probleme in den Familien häufig erst einige Zeit nach dem Notfall an.

Da es zu wenig Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten in Deutschland gibt, beträgt die durchschnittliche Wartezeit bis zum Beginn der Therapie vier Monate. In dieser Zeit erhalten die Familien häufig nicht einmal Kontakt zu einem Therapeuten oder einer Therapeutin. Kinder mit belastenden Erfahrungen bleiben über diesen Zeitraum somit zumindest professionell unversorgt. Familien bräuchten daher auch mittelfristig Unterstützung und Begleitung. Aus den Interviews geht hervor, dass sich Eltern gerade in dieser „Brückenzeit“ Rat und Betreuung gewünscht hätten.

Praktische Umsetzung

Das KiKat-Projektteam unter der Leitung von Prof. Dr. Harald Karutz bietet Institutionen, Organisationen und Kommunen auch nach Abschluss des Projektes Implementierungsworkshops an, um bei der Umsetzung der im Projekt erarbeiteten Handlungsempfehlungen behilflich zu sein.

Unser Foto zeigt Dr. Jutta Helmerichs und Prof. Dr. Harald Karutz sowie die Projektmitarbeiterinnen Verena Blank-Gorki und Gesine Plagge (von links).

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