87 Prozent tödliche Ertrinkungsunfälle in Binnengewässern
(Bild: Arno Schwamberger/DLRG)München (DLRG) – Im vergangenen Jahr sind in Deutschland mindestens 417 Menschen ertrunken. In Binnengewässern verloren mindestens 362 Männer und Frauen, das sind rund 87 Prozent der Opfer, ihr Leben. Diese Statistik gab die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) am Donnerstag (05.03.2020) in München bekannt.
„Flüsse, Seen oder Kanäle sind nach wie vor die größten Gefahrenquellen. Nur vergleichsweise wenige Gewässerstellen werden von Rettungsschwimmern bewacht. Das Risiko, dort zu ertrinken, ist deshalb um ein Vielfaches höher als an Küsten oder in Schwimmbädern“, beschreibt Achim Haag, Präsident der Wasserretter, die Gefahrenlage. Er kritisiert Kommunen und Landkreise, die nicht genug für die Sicherheit der Menschen im und am Wasser täten. „Die DLRG könnte mit Gefahrenexpertisen und Rettungsschwimmern viele Gefahrenstellen entschärfen“, so Haag weiter.
Die Anzahl der Opfer ist 2019 um 17,3 Prozent auf 417 zurückgegangen. Zwar brach der vergangene Sommer zahlreiche Temperaturrekorde. Diese wechselten sich jedoch mit einigen Regentagen, kühlen Temperaturen und starken Unwettern ab. So entschieden sich viele Menschen oftmals gegen ein Bad im See oder an den Küsten, was die auf den ersten Blick positive Entwicklung erklärt.
„Der Wettergott hat uns in die Karten gespielt“, kommentierte der DLRG-Präsident das Ergebnis. Wie sich schönes Wetter auf die Ertrinkungsfälle auswirken kann, zeigten die Monate Juni, Juli und August: 237 Männer, Frauen und Kinder ertranken in diesen immer wieder von Hitzewellen und Trockenheit geprägten Monaten, mehr als die Hälfte der tödlichen Wasserunfälle des gesamten Jahres.
Die tödlichen Unfälle an Nord- und Ostsee haben sich im Vergleich zu 2018 um zwei Fälle reduziert. An den Küsten zwischen Borkum und Usedom starben 23 Menschen (fünf in der Nord- und 18 in der Ostsee), davon viele beim Segeln oder Angeln. Deutlich gesunken sind die Todesfälle in Schwimmbädern. 2019 verzeichnete die DLRG-Statistik elf Opfer (2018: 29) in Frei-, Hallen- und Naturbädern. In privaten Swimmingpools ertranken zwei Menschen.
Besonders vom Ertrinken betroffen sind Kinder und junge Menschen. 17 Kinder (2018: 15) im Vorschul- und acht (elf) im Grundschulalter kamen im Wasser ums Leben. DLRG-Präsident Haag: „Hier ist sicherlich die zurückgehende Schwimmfertigkeit bei den Kindern eine Ursache.“
Hart kritisiert die DLRG in diesem Zusammenhang die sich weiter verschlechternden Rahmenbedingungen für die Schwimmausbildung. Die Zahl der geschlossenen und akut vor Schließung stehenden Bäder in Deutschland erhöhe sich stets, so Haag weiter. „Diese Entwicklung ist alarmierend. Die Folgen bekommen wir alle zu spüren. 20 bis 25 Prozent aller Grundschulen bieten keinen Schwimmunterricht mehr an, weil ihnen kein Bad zur Verfügung steht und ausbildende Verbände wie die DLRG haben lange Wartelisten von ein bis zwei Jahren für einen Schwimmkurs. Mehr als jeder zweite Grundschulabsolvent ist kein sicherer Schwimmer mehr.“ Und: „Die Proteste in den Kommunen gegen Bäderschließungen werden immer lauter. 85 Prozent der Menschen wollen ihr Bad behalten. Das ist die große Mehrheit. Darauf sollte die Politik hören“, sagt der Chef der Lebensretter.
Neue Aufklärungskampagne
Die DLRG startet daher ihre Aufklärungskampagne „Sicheres Schwimmen“ und fordert Eltern, Lehrkräfte und Schwimmtrainer auf, ihren gesellschaftlichen Auftrag, den Kindern das Schwimmen zu lehren, ernst zu nehmen und diesem mit allen Mitteln nachzukommen. Mit ihrer Petition „Rettet die Bäder!“ hat die Schwimmausbilderin in Deutschland einen ersten wichtigen Teilschritt erreicht. Nachdem im Dezember 2019 der Petitionsausschuss in öffentlicher Sitzung über den Erhalt von Schwimmbädern in Deutschland diskutierte, war die DLRG erst Anfang 2020 erneut im Bundestag. Dieses Mal nahm sich der Sportausschuss der Sache an und verlautbarte anschließend ernsthafte Pläne für ein bundesweites Investitionsprogramm für die Schwimmbäderinfrastruktur.
Eine besondere Risikogruppe stellen weiterhin Flüchtlinge. Im vergangenen Jahr ertranken 27 Asylsuchende, die so gut wie alle Nichtschwimmer waren. Die DLRG hat ihre Baderegeln in über 25 Sprachen übersetzt sowie Piktogramme der Baderegeln zum kostenlosen Nachdruck entwickelt und den Kommunen wie auch Gliederungen der DLRG zum Download zur Verfügung gestellt.
Wie in den Vorjahren ertranken die meisten Menschen in Bayern, dort kamen 95 Personen ums Leben – sieben mehr als im Jahr zuvor. Auf Rang zwei rangiert Nordrhein-Westfalen mit 65 Todesfällen, dritter ist Niedersachsen, das flächenmäßig zweitgrößte Bundesland, mit 51 Todesfällen. Es folgen Baden-Württemberg (37), Brandenburg (34) und Mecklenburg-Vorpommern (27).
Das könnte dich auch interessieren