Ärzteverbände sehen Heilkunde durch Notfallsanitäter kritisch

(Bild: Markus Brändli)München (kvb) – Um die Notfallversorgung in Bayern vom Kopf auf die Füße zu stellen, brauche es weniger eine Heilkundeübertragung an speziell qualifizierte Notfallsanitäterinnen und -sanitäter nach US-amerikanischem Vorbild, sondern vielmehr bessere Rahmen- und Arbeitsbedingungen für Notärztinnen und -ärzte, sind sich Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), Dr. Thomas Jarausch und Dr. Gerhard Schwarzmann, beide Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärztinnen und Notärzte (agbn), und Dr. Christian Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), einig.

Am Rande der 40. Fortbildungstagung für Notfallmedizin der agbn in Berchtesgaden beleuchteten sie die Vorschläge der Regierungskommission zur Reform der Notfall- und Akutversorgung. Gerade unter den widrigen Bedingungen einer präklinischen Notfallversorgung müsse die ärztliche Kompetenz unmittelbar am Patienten verfügbar sein. Um das auch in Zukunft zu gewährleisten, seien aber insbesondere in Bezug auf die Rahmenbedingungen für die Notarztdienste zwingend spürbare Verbesserungen erforderlich, so der gemeinsame Tenor.

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„Einige der Reformvorschläge – wie etwa den angedachten Ausbau des Luftrettungsdiensts oder eine verpflichtende Erste-Hilfe-Ausbildung der Bevölkerung – begrüße ich ausdrücklich. Dass mit dem ‚Advanced Paramedic Practicioner‘ ein neues Berufsbild geschaffen werden soll, sehe ich dagegen kritisch. Denn Notfallsanitäter verfügen bereits heute über ausreichende Kompetenzen, Patientinnen und Patienten im Notfall zu versorgen. Außerdem droht die Gefahr, dass in der Konsequenz kein Notarzt mehr vor Ort ist, wenn der ‚Advanced Paramedic Practicioner‘ grundsätzlich notärztliche Leistungen übernimmt und eigenständig Heilkunde ausübt“, so Dr. Quitterer.

Richtig gesteuerte Prozesse im Gesundheitswesen müssten bedeuten, die systematische, vor allem aus ökonomischer Motivation betriebene Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten auf nichtärztliche medizinische Fachberufe zu beenden und endlich dafür zu sorgen, dass genügend Notärzte bzw. Ärzte zur Verfügung stehen. Dafür brauche es neben einer guten Nachwuchsförderung eine angemessenere Finanzierung des Notarztdiensts. Eine „Generaldelegation“ oder gar Substitution ärztlicher Leistungen an Notfallsanitäter sei dagegen klar abzulehnen.

Darüber hinaus sieht Bayerns Ärztekammerpräsident auch die geplante Verankerung des Rettungsdiensts als eigenes Leistungssegment in das SGB V kritisch. „Dies ist eine Taktik, um Kompetenzen im Bereich der Notfallversorgung auf den Bund zu verlagern. Dabei braucht es gerade im Notarztdienst dynamische, regional verankerte Modelle, die auf das mit vertretbaren Ressourcen bestmöglich Machbare abzielen. Gerade hier hat der Föderalismus auch seine Vorteile“, erklärte Bayerns Ärztekammerpräsident.

„Ohne Frage können und sollen unsere gut ausgebildeten Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter die erlernten Algorithmen und Notfallprozeduren nach Vorgabe der ÄLRD ausüben, auch sind sie unverzichtbar für die Notfallversorgung der Bevölkerung“, ergänzte Dr. Jarausch. „Nichtsdestotrotz erfordern Diagnose- und Indikationsstellungen sowie medizinische Maßnahmen ein Handeln nach den Regeln der ärztlichen Kunst, was insbesondere für die Notfallpatientenversorgung gilt, und noch mehr, wenn diese invasiv ist“, so Dr. Schwarzmann weiter.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Selbstverständlich sind die akademischen Kollegen gegen eine Kompetenzerweiterung für das nicht-ärztliche Personal! So etwas nennt sich Lobbyismus und leider ist unsere Lobby immer noch nicht sonderlich ausgeprägt.
    Schauen wir einmal nach Schleswig-Holstein, wo dank konsequenter Delegation und Fortbildung mittlerweile das Stichwort “Thoraxschmerz” nicht mehr zwingend eine NA-Indikation darstellt. Der/Die NotSan kann eigenverantwortlich die Ursachen und Symptome behandeln und den Patienten einer entsprechenden klinischen Versorgung zuführen (Quelle: Elsevier-Magazin “Emergency” 10/2023).

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  2. Eigentlich hätte ich den Tenor des obigen Artikels nicht anders erwarten sollen, scheinbar sind aber manche Berufsgruppen im Bereich der Notfall- und Rettungsmedizin doch noch nicht im Hier und Heute angekommen. Erstaunlich doch, dass Reformen wo irgendwo dann doch der Arzt mit eingebunden ist befürwortet werden.
    Wir können es uns beim Zustand des Gesundheitsystems nicht mehr erlauben, auf die hohe Fachkompetenz unserer Notfallsanitäter auch nur im geringsten zu verzichten.
    Bei so manchem Einsatz wäre meiner Meinung nach der Patient besser versorgt worden, wen man ihm die Anwesenheit eines Notarztes erspart hätte.
    Wenn ich mir dann noch die Leistungen des Kassenärztlichen Notdienstes anschaue, die mehr oder weniger etablierte Rufnummer 116117, komme ich in Anlehnung der Titelzeile des obigen Artikels zum Ergebnis:
    Ich sehe die Versorgung im Notdienst durch die KV mehr als kritisch.

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  3. Auch in Bayern bleiben NEF unbesetzt, da keine Notärztinnen und Notärzte für die erforderlichen Dienste zur Verfügung stehen. Vielleicht sollten sich auch die standesdünkelnden Funktionärinnen und Funktionäre der Ärzteverbände mit dem Umstand vertraut machen, daß zukünftig immer öfter eine Patientenversorgung durch andere qualifizierten Heilberuflerinnen und Heilberuflern stattfindet.

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  4. Die Tatsache, das kein Arztvorbehalt zur Ausübung der Heilkunde im Rechtsystem besteht, wird anhaltend erfolgreich verschleiert.

    Geschützt ist die Ausübung der Heilkunde unter der Bezeichung Arzt.

    Ich muss Arzt sein , wenn ich Heilkunde als Arzt ausübe / ausüben will. Die Betonung liegt auf ” als Arzt “.

    Das ist in der Berufsordnung geregelt

    Nicht geregelt ist, wer was und wie tun darf , der sich bei Ausübung von Heilkunde nicht als Arzt bezeichnet.

    Im Sozialrecht ist bestimmt, das nur die Behandlung durch einen zugelassenen Arzt abrechnungsfähig ist.

    Dadurch wird ein Verbot heilkundlicher Maßnahmen durch andere Berufe als der Ärzte grds. nicht begründet.

    Diese Tatsache wird leider beständig erfolgreich vernebelt, es wird in die Irre geführt und dadurch unzutreffend agiert und argumentiert.

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  5. @Stefan Pier

    Hallo,

    obwohl in SH die Notsan einiges dürfen gibt es in Kiel auch mittlerweile 3 NEF.

    In Hessen in Frankfurt dürfen Notsan auch schon einiges. Aber trotzdem gibt es auch hier mittlerweile 6 NEF.

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  6. @all

    Hallo,

    selber bin ich auch kein Arzt, aber wenn ich die Kommentare in Foren diesbezüglich lese, ist es alles andere als angenehm. Gegenseitiger Fingerzeig bringt uns auch nicht weiter. Sinnvoll wäre gemeinsam an einem guten Kompromiss zu arbeiten.

    Es gibt nicht nur große Schwankungsbreiten wie von manchen NFS behauptet unter der den Notärzten. Es gibt sie auch unter den NFS.

    NEF die nicht besetzt werden können. Auch RTW, KTW können mancherorts zeitweilig nicht besetzt werden, da kein entsprechendes Personal zur Verfügung steht.

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