Bundesfreiwilligendienst: Vom Rohrkrepierer zum Erfolgsmodell

Bremen (rd.de) – Noch bis vergangenen August machte das Familienministerium Druck bei den Wohlfahrtsverbänden, mehr für die Gewinnung von Bundesfreiwilligen zu tun. Jetzt drehen die Verbände den Spieß um und fordern von Familienministerin Schröder mehr geförderte Bufdi-Plätze: 32.000 der 35.000 Stellen sind schon besetzt. Ab Februar werden allenfalls noch Restplätze verteilt.

Wenig attraktiv, Konditionen und Verfahrensweisen unklar: Für die Wohlfahrtsverbände war der “Personalstoßdämpfer” Bundesfreiwilligendienst als Zivildienstersatz kaum mehr als ein Gnadenbrot, damit das Angebot sozialer Dienste nicht sofort wegen Personalmangels eingestellt werden muss. Die Verbände vermittelten da schon lieber FSJ-Stellen. Das Familienministerium reagierte auf die Kritik, klärte offene Fragen und koppelte FSJ- und Bufdi-Plätze mit einer Quote aneinander. Auf drei geförderte FSJ-Stellen sollten zwei BFD-Stellen kommen. Nur vier Monate später ist der Bundesfreiwilligendienst ein Erfolgsmodell. Jetzt gibt es plötzlich zu wenig Stellen. Die Förderung läuft zum 31. Januar 2012 aus.

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„Das kann doch nicht sein“, findet BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk. „Wir haben Kreisverbände, wo noch Freiwillige auf die Zusage für einen Bufdi-Platz warten. Was sollen wir denn denen sagen? Dass die Gesellschaft sie nicht braucht?“ Mit der Kritik steht das BRK nicht allein da. Auch Gerhard Timm, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, warnte davor, Bewerber aus finanziellen Gründen ablehnen zu müssen.

Das BRK fordert nun wenigstens 5.000 weitere Bufdi-Plätze, die ausschließlich über die Wohlfahrtsverbände vergeben werden sollen. Hintergrund der Forderung ist die Direktvergabe von Freiwilligenplätzen an die Kommunen über das „Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben“ (ehem. Bundesamt für den Zivildienst).

Dieses Jahr wird es zweifellos knapp mit den zur Verfügung stehenden Plätzen. Als Ursache hierfür kommen Doppelabiturjahrgänge in Betracht. Gleich in mehreren Bundesländern drängen Abiturienten auf den Markt und nutzen den Bundesfreiwilligendienst als Brücke zur Ausbildung oder zum Studium.

Frank Danscher,  Abteilungsleiter im Freiwilligendienste-Team des DRK-Landesverbandes Nordrhein möchte der Verunsicherung potenzielle Bewerber für FSJ und Bufdi entgegenwirken: „Fakt ist momentan, dass wir alle Bewerbungen für den kommenden Sommer entgegen nehmen und unsere Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr und im Bundesfreiwilligendienst nach Möglichkeit nachbesetzen werden.“

Jeder vierte Bufdi über 27 Jahre

Der Bundesfreiwilligendienst steht Bürgern jeder Altersgruppe offen. Nach Zahlen des Familienministeriums sind 76 Prozent der Bewerber jünger als 27 Jahre alt. Neue Qualitäten bringen hingegen die 24 Prozent der Freiwilligen mit, die älter als 27 sind, weil sie doch in der Regel bereits über eine Ausbildungsqualifikation verfügen, die ihr Einsatzspektrum erweitern kann.

Für den Bereich Krankentransport und Rettungsdienst sind ältere Bewerber im Wesentlichen kein Thema, berichtet Stefan Wolf, Leiter Rettungsdienst beim Johanniter Regionalverband Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen: „Unser Bereich ist Anlaufstelle für Bewerber, die im Anschluss an den Freiwilligendienst ein Studium oder eine Ausbildung im medizinischen Bereich anstreben.“ In den zurückliegenden Monaten hat auch Wolf Aufklärungsarbeit zum Bundesfreiwilligendienst geleistet und wies FSJ-Bewerber auf die neue Dienstalternative hin. In der Praxis durchlaufen die Freiwilligen drei Monate RS-Ausbildung und einige Wochen Einführungsveranstaltungen. „Da freuen wir uns natürlich über jeden, der sich entscheidet, seinen Dienst von 12 auf 18 Monate zu verlängern.“ Eine Option die das FSJ und der Bundesfreiwilligendienst gleichermaßen bietet.

In anderen Dienststellen ist der Zug aktiv in Krankentransport und Rettungsdienst mitzuwirken ohnehin schon abgefahren. „Wir setzten FSJler und Bufdis allenfalls im Behindertenfahrdienst ein“, erklärt hierzu Kai Gronneberg, Ansprechpartner für Freiwilligendienste von den Maltesern im Hagen. „Es gab eine Zeitspanne mit wenigen FSJ-Bewerbern, da haben wir im Krankentransport kurzerhand Personal eingestellt.“ Bislang haben die Malteser zwei Bundesfreiwillige im Einsatz. Doch von den älteren Freiwilligen hat sich in Hagen noch keiner vorgestellt: „Wir kennen auch die Bufdis bisher nur in ganz jung und frisch von der Schulbank.“

Ältere Bewerber für den neuen Freiwilligendienst haben sich hingegen beim DRK Rettungsdienst Mittelhessen beworben, berichtet Helga Bangert: „Wir haben in Zeitungsanzeigen Interessenten für den Bundesfreiwilligendienst gesucht und das kam bei den Älteren ganz gut an.“ Im Fokus der Älteren stehen dabei Tätigkeiten in der Werkstatt und der Logistik, während die jungen Freiwilligen eher in den Rettungsdienst streben.

Leichte Bauchschmerzen verspüren allerdings alle Organisation die Freiwillige im Rettungsdienst beschäftigen, weil die Bufdis ihren Dienst jederzeit quittieren können. Da muss die Praxis zeigen, ob die geringfügig höheren Fördersätze für die BFD-Plätze solche Risiken abdeckt.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Man kann ja sagen was man will, aber in jedem Bericht werden die Malteser schlecht dargestellt… Und das sage ich als JUHer.

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  2. Ja? Was ist schlecht daran, im Krankentransport bezahltes Personal einzusetzen?

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  3. BUFDIS und Fsj haben im Krankentransport und Rettungsdienst nichts zu suchen, da dieser Einsatz in 99% der Fälle nicht arbeitsmarktneutral sind. Dies ist allerdings Voraussetzung für eine. Einsatz.

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  4. Bundesfreiwilligendienst: Vom vermeintlichen “Erfolgsmodell” doch noch zum “Rohrkrepierer”?

    Vgl. http://www.rp-online.de/region-duesseldorf/hilden/nachrichten/fahrdienst-ohne-fahrer-1.2976038 vom 01.09.2012

    Die systemischen Schwächen des liebevoll “BuFDi” genannten Freiwilligendienstes treten immer augenscheinlicher zu Tage – auch wenn man es in den höheren Etagen der Hilfsorganisationen bislang nicht wahrhaben will.

    Frühherbstliche Grüße aus dem Südwesten

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  5. Wie heist es doch so schön bei uns im schwäbischen:

    “Was wir tun wenns nicht klappt, sehen wir dann wenns nicht klappt. Das klappt immer!”

    😉

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  6. @Achim: Das Copyright für Ihr Zitat liegt aber bei Andreas Müller von SWR3 bzw. beim SWR für dessen Kretschmann-Double… 😉

    Spätsommerliche Grüße aus dem Südwesten in den Südwesten

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  7. @Jörn

    Daß kann nicht ganz sein. Denn diesen Spruch hat schon mein Großvater vor über 40 Jahren vom Stapel gelassen 🙂

    Aber ich kenne diese Parodie natürlich auch 😉

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  8. Hallo, es fahren in Niederbayern sogar die Budis (18-19 jahre alt) auf den NEF und sogar als 2. , sprich Fahrer auf dem RTW. Woher soll den so einer fahrpraxis haben und wird gleich mit Blaulicht auf die Menschheit losgelassen. Es heißt ja auch, der Bundesfreiwilligendienst ist arbeitsmarktneutral, d.h. die Freiwilligen verrichten unterstützende zusätzliche Tätigkeiten und ersetzen keine hauptamtlichen (Fach-)Kräfte.
    Ich glaube das manch Hiorgs diesen Satz überspringen, den hier geht es ja um eine billige Arbeitskraft.

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  9. Unverschämtheit..aber das war ja abzusehen.

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  10. Der RTW Unfall vor ein par Wochen in Leimen mit einer 19-jährigen als Fahrerin passt auch in diese Schiene.
    Ich finde es höchst fragwürdig, dass das DRK_BRK junge Leute, die keine Fahrpraxis haben auf die Menscheit losläßt, von den fehlenden Qualitäten als Sani ganz zu schweigen.
    Hier müssten die Fahrzeugführer also die RA energisch sein und solche “Kollegen” als Helfer ablehnen.
    Aber anscheinend ist dem Roten Plus keine “gute” Tat zu schade, um möglichst viel Kohle einzusacken.
    Dem Roten Plus und seiner Verwandtschaft gehört das Handwerk gelegt, bevor noch mehr passiert.
    Gestern in Friedberg bei Augsburg, vermutlich Bufdi mit KTW Transit, deutlich erkennbar hatte er keine Fahrpraxis, da er beim Ausparken erhebliche Probleme hatte, vielleicht auch deswegen, weil sein ebenfalls junger Beifahrer mit dem Einweisen so seine Probleme hatte.
    Aber in Bayern hat das BRK sowieso Narrenfreiheit.
    So wird es nichts mit einem professionelleren Rettungsdienst und vor allem mit besserer Bezahlung.
    Gruß aus Bayern

    Sepp

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