Cardiac Arrest: Kühlung bringt keinen Vorteil
(Bild: Markus Brändli)Bern (idw) – Das internationale Forschungskonsortium TTM2 veröffentlichte kürzlich im „New England Journal of Medicine“ eine Studie zum Temperaturmanagement von Patientinnen und Patienten, die nach einem plötzlichen Herzstillstand komatös in eine Klinik eingeliefert wurden. Es wurde festgestellt, dass die Kühlung keine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit bewirkt.
Einige internationale Guidelines empfehlen noch ein kühlendes Temperaturmanagement (Hypothermiebehandlung) für Patientinnen und Patienten, die nach einem plötzlichen Herzstillstand vom Rettungsdienst bewusstlos in eine Klinik eingeliefert werden. Eine ausreichende Evidenzgrundlage für die Hypothermiebehandlung auf circa 33 ˚C fehlte bislang aber. Die neue TTM2-Studie überprüfte deshalb die Vorgaben.
Die Studie konnte zeigen, dass eine gezielte Kühlung der Betroffenen im Koma auf etwa 33 ˚C keinen Vorteil in Bezug auf die Überlebensraten zur Folge hat. „Wie in der Vergleichsgruppe, deren Körpertemperatur im Normalbereich unterhalb der Fiebergrenze gehalten wurde, starben in den ersten sechs Monaten nach dem Ereignis rund die Hälfte der untersuchten Fälle“, erklärte Dr. Anja Levis, Co-Autorin der Studie. „Jedoch schnitt die Gruppe mit Kühlung in Bezug auf Herzrhythmusstörungen deutlich schlechter ab, als die Normaltemperatur-Gruppe.“
Kühlung spielt in zahlreichen medizinischen Anwendungen eine Rolle, die eine Stilllegung der Herzaktivität erfordern. Die ursprüngliche Studie aus dem Jahr 2002 verglich zwei kleine Gruppen von Patienten, eine mit Hypothermie-Management und eine ohne. „Retrospektiv können wir sagen, dass mit der Studie 2002 gezeigt wurde, dass ein besseres Ergebnis bei den Patientinnen und Patienten erzielt wird, die intensiv betreut werden“, so Prof. Dr. Matthias Hänggi. „TTM2 hat nun gezeigt, dass es vor allem ein gutes Setting für Herzstillstand-Patienten braucht, und dieses kann nicht einzig auf die Temperatur beschränkt betrachtet werden.“
Die TTM2-Studie hat sich zum Ziel gesetzt, evidenzbasierte Grundlagen der Behandlung nach plötzlichem Herzstillstand zu schaffen. Sie schloss 1.900 (auswertbar 1.850) Patientinnen und Patienten aus 14 Ländern in 61 Spitälern ein. Die Patientinnen und Patienten wurden zufällig in zwei Gruppen eingeteilt: Gruppe „Hypothermie“ und Gruppe „Normothermie“, mit je 925 Fällen. Das primär beurteilte Resultat war „Überleben nach sechs Monaten“. Zudem wurden zahlreiche standardisierte Parameter zum Beispiel zu Einschränkungen nach dem Herzstillstand erhoben.
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Die im Juni 2021 publizierte TTM2 Studie untersuchte 1900 erwachsene Patienten nach außerklinischem Kreislaufstillstand kardialer oder unklarer Ursache.
Gemäß Protokoll sollten die Patienten in der Hypothermiegruppe spätestens nach 90 Minuten nach der Randomisierung die Zieltemperatur von 33°C erreichen. Diese sollte für 28 Stunden aufrecht erhalten werden, gefolgt von einer langsamen, kontrollierten Wiedererwärmung mit 0,33°C/Stunde.
In der Normothermiegruppe sollte eine Temperatur von 37,5°C oder weniger für 40 Stunden aufrecht erhalten werden. Beide Gruppen sollten nach Randomisierung normotherm, definiert als Temperatur zwischen 36,5°C und 37,5°C, behandelt werden.
Die Zeiltemperatur von 33°C in der Hypothermiegruppe wurde im Median erst nach 7 Stunden nach Randomisierung und 9 Stunden nach Kreislaufstillstand erreicht werden (siehe Anhang der Studie). Die Aufrechterhaltung der Zieltemperatur bei 33°C fand lediglich über eine Phase von 19 Stunden statt, entgegen der laut Protokoll geplanten 26,5 Stunden (-28,3%). Die aktuellen ERC-Leitlinien empfehlen für die Aufrechterhaltung der Zieltemperatur eine Dauer von mindestens 24 Stunden.
Nach Ende der Interventionsphase (40 Stunden nach Randomisierung) konnte bei fast 50% der Patienten im Laufe der Folgetage (Tag 3-7) Fieber gemäß Protokoll (>37,8°C) festgestellt werden. Somit konnte eines der wichtigsten Ziele der Studie, Vermeidung von Fieber in den ersten 72 Stunden und den darauffolgenden Tagen, nicht erreicht werden.
In der TTM2-Studie findet sich zudem ein außergewöhnliches Patientenklientel. 92% der eingeschlossenen Patienten erlitten einen beobachteten Kreislaufstillstand und bei ca. 80% der Patienten wurde unmittelbar mit der Laienreanimation begonnen.
Die Sterblichkeit in der TTM2-Studie lag vergleichsweise hoch, verglichen mit anderen Studien zum Targeted Temperature Management nach Reanimation, und auf vergleichbarem Niveau mit der HACA-Studie, die vor mehr als 20 Jahren durchgeführt worden war. Mit den Fortschritten in der Erstversorgung von Reanimationspatienten (Herzkatheter, Goal-directed therapy, ICD-Implantation) wären andere Ergebnise zu erwarten gewesen. Weitere aktuelle Studien und Registerauswert5ungen zeigen deutlich bessere Überlebensraten bei konsequenter milder Hypothermie mit 33°C (siehe Hyperion, TTH48 und auch HACORE).
Neben der weiter notwendigen Verbesserung in der Erstversorgung von Reanimationspatienten ist auch weiterhin ein adaptiertes Temperaturmanagement notwendig. Manche Patienten mögen von einem TTM mit 36°C (siehe TTM-Studie) profitieren, die meisten Postreanimationspatienten werden jedoch auch weiterhin ein TTM mit 33°C für mindestens 24 Stunden und anschließender konsequenter Fiebervermeidung benötigen, um ein gutes Neurologisches Outcome zu erreichen.