Covid19-Verdacht: 15 Tipps für den Krankentransport

(Bild: Martina Wintschel)Wien (rd_de) – Es gibt bereits eine Fülle von Handlungsanweisungen und -empfehlungen für den Akut- oder Notfalleinsatz von Patienten mit Covid19-Verdacht bzw. positiv getesteten Personen. Was es beim „einfachen“ Krankentransport zu beachten gilt, erklären wir nachfolgend anhand von 15 Stichworten.

1. Wohnsituation des Patienten bedenken und erfragen. Hat der Patient eventuell Mitbewohner, für die der Virus eine Gefährdung darstellt, beispielsweise Angehörige einer Risikogruppe?
2. Ist der Patient in einem Pflege- oder Seniorenwohnheim untergebracht? Idealweise hat die abgebende Klinik entsprechende Arrangements mit der Einrichtung bereits besprochen. In diesem Fall müssten eine Rufnummer, konkrete Ansprechperson und der genaue Zutrittsweg, der vom sonst üblichen abweichen könnte, beschrieben sein. Bei Zweifeln trotzdem den Patienten in der Einrichtung (nochmals) telefonisch voranmelden und um den genauen Zugangsweg für diesen Patienten bitten. Den Anruf und die Avisierung entsprechend am Protokoll dokumentieren, gegebenenfalls auch einen Screenshot der Anrufzeit und -nummer am Mobiltelefon machen und sichern. Die Einrichtung bitten, den Patienten am genannten Tor abzuholen und dafür zu sorgen, dass auf dem Weg in das Patientenzimmer keine weiteren Personen anwesend sind.
3. Vorbereiten des Fahrzeugs für den Transport nach internen Richtlinien, zum Beispiel Scheibe zum Patientenraum schließen, nicht benötigte Geräte sicher und sauber im Beifahrerbereich verstauen, alle Sitzflächen mit Tragenauflagen o.Ä. abdecken.
4. Mentale und operative Vorbereitung des Teams, das den Patienten während des Transportes betreut: Was wissen wir über den Patienten? Sind uns Abhol- und Abgabeort bekannt? Können wir vorab noch organisatorisch was klären? Brauchen wir noch mal eine Auffrischung in Bezug auf Anlegen der Sicherheitskleidung?
5. Gegebenenfalls telefonische Kontaktaufnahme mit der abgebenden Einrichtung und Nennung der ungefähren Eintreffzeit („Eintreffzeit voraussichtlich um 13:10 Uhr“ ist genauer als „Wir sind in 10 Minuten da“)
6. Vor Ort: Aufsuchen der zuständigen Pflegefachkraft, gemeinsamer Gang zum Patienten, freundliche Vorstellung und Begrüßung und eventuell humorvoller Hinweis – je nach Altersgruppe – auf den Ganzkörperschutz („Teletubby-Bekleidung“).
7. Beurteilung der Transportfähigkeit des Patienten und Einschätzung, ob der Patient auch mit dem Krankentransport verlegt werden kann. Einsichtnahme in die Patientendokumentation, gegebenenfalls nochmals gemeinsame Erhebung der Vitalfunktionen, insbesondere SpO2 und Temperatur mit dem Klinikpersonal. Patient eventuell einen frischen Mundschutz geben und ihn bitten, Handschuhe anzuziehen.
8. Umlagerung des Patienten auf Trage oder Tagestuhl, Mitnahme der persönlichen Gegenstände, bei Wertgegenständen das entsprechende Dokumentationsprotokoll (Österreichisch: Effektenschein) ausfüllen und abzeichnen.
9. Insbesondere gehfähige Patienten anleiten, nichts in ihrem Umfeld zu berühren, um etwaige Kontamination von/durch zum Beispiel Aufzugknöpfen, Griffen und Türklinken vorzubeugen. Sollte eine solche Kontamination erfolgt sein, Reinigung/Desinfektion veranlassen oder selbst durchführen.
10. Durchführung des Transports: Beobachtung des Patienten und nach dem Befinden erkundigen. Dran denken: Krankentransport ist auch eine Kommunikationsleistung, deshalb nicht aufs Privathandy schauen – schon aus Gründen der Hygiene.
11. Am Abgabeort: Nochmalige Information: „Wir sind mit dem Covid 19-Patienten/Verdachtsfall da – bitte abholen.“
12. Kurzer Nachfrage bei der Pflegekraft am Tor, ob die Wege ins Patientenzimmer von anderen Personen frei sind.
13. Übergabe des Patienten in seinem Zimmer und dessen (Wert-)Gegenstände.
14. Ordnungsgemäße Reinigung des Fahrzeugs und korrektes Ablegen der Schutzkleidung nach den internen Hygienerichtlinien.
15. Feedbackrunde: Ist uns etwas aufgefallen? Was hat gut geklappt? Wo gab es Unsicherheiten? Wo muss man den Ablauf anpassen? Aufschreiben und über das betriebliche Vorschlagswesen einbringen oder den Vorgesetzten mailen.

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Covid19 und Demenz

Eine besondere Herausforderung stellt der Transport eines möglicherweise an Covid19 infizierten, dementen Menschen. Sie können krankheitsbedingt eventuell die persönliche und gesellschaftliche Lage nicht einschätzen und sich durch die Schutzausrüstung und das Erscheinungsbild des KTP-Teams ängstigen und bedroht fühlen.

Anbei eine Idee, angelehnt an das Konzept der Validation, entwickelt von der Sozialarbeiterin Naomi Feil. Dabei handelt es sich um eine Methode der Kommunikation, die desorientiertes Verhalten sehr alter bzw. verwirrter Patienten zu verstehen versucht. Ziel ist es, idealerweise einen Zugang zur inneren Erlebniswelt der Betroffenen zu finden. In der kurzen Zeit, die ein Rettungsdienst-Mitarbeiter und ein Mensch im Kranken- bzw. Rettungstransport verbringen, kann es eine Herausforderung darstellen, diese für die Arbeit mit alten, verwirrten Menschen essentielle Beziehung aufzubauen. Das stellt für die Arbeit mit dementen Covid19-Verdachtsfällen eine besondere Schwierigkeit dar.

• Akzeptiere die Gefühle, Gedanken und Verwirrtheit des Patienten so wie sie sind.
• Akzeptiere deine eigenen Gedanken, Unsicherheiten und Gefühle so wie sie sind.
• Setze keine körperliche oder verbale Gewalt ein.
• Überlege, ob eine dem Patienten vertraute Person den Transport begleiten kann und die Führung des Patienten übernimmt.
• Störfaktoren der unmittelbaren Umgebung reduzieren, zum Beispiel Lärm, Gerüche, zu viele Anwesende.
• Konzentration auf den Betroffenen.
• Ist erkennbar, auf welche Sinnesreize der Betroffene am besten reagiert? Berührung? Stimme? Gesten?
• Gegebenenfalls Spiegelung des Gesichtsausdrucks, der Stimmlage und Lautstärke der Sprache und der Kopie des Rhythmus einer möglichen sich wiederholenden Bewegung des Patienten, zum Beispiel schaukeln, nicken oder klopfen, streicheln am Unterarm, Hand halten.
• Versuchen zu erklären, wie eine Maske angelegt wird, mithilfe einer dem Patienten vertrauten Person oder einem Stofftier des Betroffenen.
• Gegebenenfalls vorsichtiger Kontakt mit den Fingerspitzen am Gesicht; Versuch, eine Maske anzulegen.
• Möglichkeiten durch Berührung eine Verankerung mit dem Menschen herzustellen und dadurch in eine non-verbale Kommunikation zu treten. Es zeigt dem Betroffenen, dass er nicht allein gelassen wird.
• Wer sich traut: Musik kann als Ersatz für Sprache hilfreich sein, beispielsweise durch ein bekanntes Kinderlied oder einen altersgerechten Schlager.
• Wenn eine Maske nicht toleriert wird, eventuell zuerst eine Sauerstoffmaske verwenden und danach einen weiteren Versuch, eine entsprechende Schutzmaske zu verwenden.
• Falls vorhanden, ein Gesichtsschild verwenden, dass aber keinen adäquaten hygienischen Ersatz darstellt.
• Wenn keine hygienisch akzeptable Lösung gefunden werden kann, Rücksprache mit dem verantwortlichen Arzt über die weitere Vorgehensweise halten.
• Lessons learned für den konkreten Patienten dokumentieren, damit andere Fachkräfte darauf gegebenenfalls zurückgreifen können, und die Erfahrungen auch mit dem Kollegen teilen.

(Text: Samuel Redelsteiner, Rettungssanitäter in Wien und Elementar- und Hortpädagoge; Dr. PhDr. Christoph Redelsteiner, Sozialarbeiter, Notfallsanitäter mit Intubationskompetenz und Gesundheitswissenschaftler. Er leitet den Masterstudiengang Soziale Arbeit der Fachhochschule St. Pölten und ist wissenschaftlicher Lehrgangsleiter des Rettungsdienstmanagementlehrganges der Donau Uni Krems.)

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. “Teletubby-Bekleidung”?

    Bei solchen “Tipps” weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

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