(Bild: Bru-nO/pixabay.com)Berlin (DGH/DGOU/DOG) – Das von Bund und Ländern beschlossene Verbot von Feuerwerkskörpern zum Jahreswechsel freut nicht jeden in Deutschland. Ärztliche Fachgesellschaften befürworten es hingegen. Umfragen in Augenfachkliniken stützen das Verbot ebenfalls.
Die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie (DGH) und die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) begrüßen die Entscheidung von Bund und Ländern, auch in diesem Jahr den Verkauf von Böllern und Feuerwerk zu Silvester zu untersagen. Denn viele Menschen brächten sich durch die Böller und Raketen selbst in Gefahr, teilten die Fachgesellschaften mit Oftmals käme es zu schwersten Verletzungen an den Händen, welche in der Notaufnahme behandelt werden müssten. Die Krankenhäuser seien jedoch aufgrund der Corona-Pandemie ohnehin schon überlastet.
Schon in normalen Jahren stellt die Silvesternacht für Ärztinnen und Ärzte in den Notaufnahmen von Kliniken eine besondere Herausforderung dar. An keinem anderen Tag im Jahr verletzen sich so viele Menschen die Hände wie an Silvester. Besonders unter Alkoholeinfluss und bei Verwendung von veralteten, selbst gebauten oder illegalen Feuerwerkskörpern entstehen schwerste Verletzungen, welche in der Notaufnahme behandelt werden müssen.
„Die Patienten kommen mit abgetrennten Fingern, Verbrennungen, Frakturen und Weichteilverletzungen zu uns“, berichtet Professor Max Haerle, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Hand- und Plastische Chirurgie der RKH Klinik in Markgröningen und Präsident der DGH. „Oft sind die Verletzungen so schwer, dass die Patienten trotz schneller ärztlicher Hilfe und erfolgreicher rekonstruktiver Eingriffe irreversible Schäden davontragen.“
DGH und DGOU begrüßen daher das diesjährige Feuerwerks- und Versammlungsverbot. Sie sind überzeugt, dass Silvesterfeiern in diesem Jahr nicht nur zu mehr Corona-Infektionen, sondern auch zu weiteren Herausforderungen für die ohnehin überlasteten Kliniken führen würden. Denn aufgrund des Verkaufsverbots greifen erfahrungsgemäß viele Menschen zu illegalen oder selbst gebauten Feuerwerkskörpern, die eine noch ungemein höhere Verletzungsgefahr bergen als handelsübliche Böller.
„Wir appellieren an alle Bürgerinnen und Bürger, dem Verbot zu folgen und in diesem Jahr auf Silvesterfeiern und Böllern zu verzichten“, sagt Professor Dr. Michael J. Raschke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster. „Unsere Notaufnahmen, Rettungsdienste und Feuerwehren sind ohnehin überlastet – sie brauchen jetzt wirklich keine Patienten, die mit schweren und vermeidbaren Handverletzungen ärztliche Hilfe suchen.“
80 Prozent weniger Augenverletzungen
Wie eine Umfrage der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) an 75 deutschen Kliniken zeigt, reduzierte das Verkaufsverbot zum Jahreswechsel 2020/2021 die Zahl der Augenverletzungen im Vergleich zu den Vorjahren um mehr als 80 Prozent.
Seit dem Jahreswechsel 2016/17 führt die DOG regelmäßig Umfragen an den deutschen notdienstleistenden Augenkliniken durch, um die Zahl und Schwere von Augenverletzungen zu erfassen, die sich in den Tagen um Silvester durch Feuerwerkskörper ereignen. „Wie die Erhebungen zeigen, kam es zu den Jahreswechseln 2016/2017 bis 2019/2020 zu jeweils etwa 500 Fällen von Augenverletzungen“, berichtet Dr. Ameli Gabel-Pfisterer von der Klinik für Augenheilkunde am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam.
Dabei stellten die Experten alle Jahre wieder fest: Ein Viertel der Betroffenen erlitt so schwere Schäden, dass eine stationäre Behandlung erforderlich wurde. „Unbeteiligte, Kinder und Jugendliche traf es stets besonders häufig“, ergänzt die Expertin. So zündete mehr als die Hälfte der Verletzten den Feuerwerkskörper nicht selbst, und der Anteil der Minderjährigen betrug bis zu 40 Prozent – obwohl sie nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. „Tragischerweise ist bei 40 Prozent der Verletzten ein dauerhafter Sehverlust zu erwarten“, sagt Dr. Gabel-Pfisterer.
Zum Jahreswechsel 2020/2021 sank die Verletztenzahl in den Augenkliniken drastisch – von üblicherweise 500 auf 79 Personen. Die Augenfachärzte und -ärztinnen führen dies auf das damalige „Böller-Verbot“ zurück.
„Das bedeutet einen Rückgang bei den Augenverletzungen auf weniger als 20 Prozent der Vorjahreswerte“, betont Professor Dr. Hansjürgen Agostini von der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg. Zugleich fiel der Anteil der verletzten Minderjährigen auf 25 Prozent. „Wir stellen fest: Verkaufsverbot und Versammlungsbeschränkungen hatten eindeutig einen Schutzeffekt“, resümiert Professor Dr. Agostini.
Der Effekt entspricht internationalen Studien, wonach in Ländern oder Regionen mit Verbot von privatem Feuerwerk die Inzidenz von Augenverletzungen durch Pyrotechnik um 87 Prozent sinkt.