Feldsupervisor: Ein Modell für den deutschen Rettungsdienst?

Bremen (rd_de) – In den USA gibt es ihn schon lange; Wien hat vor wenigen Jahren nachgezogen: Die Rede ist vom Feldsupervisor. Bei dieser Funktion handelt es sich um einen besonders erfahrenen, speziell geschulten Rettungsdienst-Mitarbeiter, der primär vor Ort die Qualität der Arbeit im Blick hat. Prof. Dr. Christoph Redelsteiner (US-Paramedic) kennt das System aus eigener Erfahrung und erklärt hier die Besonderheiten.

Herr Prof. Dr. Redelsteiner, im Rettungs-Magazin 2/2018 berichten Sie über die Feldsupervisoren der Berufsrettung Wien. Die ursprüngliche Idee zu diesem System stammt aus den USA. Welche Rolle spielen im dortigen Rettungsdienst die Supervisors?
Redelsteiner: Das hängt ganz stark vom jeweiligen Rettungsdienst und seiner Organisationskultur ab. Die Bandbreite reicht von „klassischer Vorgesetzter“ und „Dienstaufsichtsfunktion“ bis zum „Coach“, der sich auf Fragen der Patientenversorgung in fachlicher und sozialer Sicht konzentriert. Mancherorts wird die Supervisoren-Funktion auch innerhalb einer Dienstgruppe im Rotationsprinzip weitergegeben. Zudem gibt es Systeme, in denen der Supervisor zusätzliche medizinische Kompetenzen besitzt, dort darf er beispielsweise Narkosen einleiten.

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Prof. Dr.PhDr. Christoph Redelsteiner, Notfallsanitäter-NKI, Sozialarbeiter, Gesundheitswissenschaftler; fachwissenschaftlicher Lehrgangsleiter des Universitätslehrgangs für Rettungsdienstmanagement an der Donau-Universität Krems; Studiengangsleiter Master Soziale Arbeit und Modulleiter im „akademischen Lehrgang für präklinische Versorgung und Pflege“ an der Fachhochschule St. Pölten (Österreich); AMLS, PHTLS, EPC Instructor; seit 1984 im Rettungsdienst, arbeitete unter anderem als Emergency Medical Technician-P (Paramedic) beim DeKalb County EMS in Atlanta/USA und als Qualitätsmanager sowie Rettungsdienstleiter beim Wiener Roten Kreuz.

Inwiefern unterscheiden sich die US-Supervisor von denen in Wien?
Redelsteiner: Der Feldsupervisor in Wien ist jedenfalls kein Linienvorgesetzter, sondern eher ein Partner, der das Team unterstützt und Feedback gibt. Er ist stärker in der Aus- und Fortbildung verwurzelt, als in den meisten Modellen der USA. Aufgaben der Einsatzleitung bei mehreren Verletzten werden in Wien von eigenen Offizieren, beispielsweise den Hauptinspektionsoffizieren, wahrgenommen. Das ist in Wien also nicht die Aufgabe des Feldsupervisors.

Fühlen sich die Kolleginnen und Kollegen in den USA bei Anwesenheit eines Supervisors nicht ständig in einer Prüfungssituation?
Redelsteiner: Ganz selten und nur dann, wenn ein Supervisor Defizite in seinen sozialen Kompetenzen aufweist. Die Kontrollkultur ist in den USA aus geschichtlichen Gründen deutlich weniger belastet als in Deutschland oder Österreich. Qualitätskennziffern wie die Zahl der venösen Zugänge oder Intubationen und Erfolgsraten werden meist offen und gelassener dokumentiert bzw. ausgewertet als bei uns.

Bei einem der Rettungsdienste, bei dem ich gearbeitet habe, wurde während einer monatlichen Dienstbesprechung vom Team ein Szenario für den Supervisor entwickelt. Da drehte sich die Prüfungssituation dann rasch um. Und wenn der Supervisor als Erster und meist allein am Einsatzort ist, wird auch die Qualitätskontrolle umgekehrt sein. Das ist gut für alle Beteiligten und sorgt dafür, dass die Supervisoren „auf dem Boden“ bleiben.

Im deutschsprachigen Rettungsdienst spielt das Qualitätsmanagement schon seit vielen Jahren eine große Rolle. Supervisoren gibt’s bei uns aber nicht. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Redelsteiner: Das Qualitätsmanagement und auch die entsprechenden Zertifizierungen konzentrieren sich oft noch zu stark auf die Dokumentation und Beschreibung von Prozessen. Das ist als Grundlage wichtig, aber das Herz der Dienstleistung „Notfallversorgung“ steckt in der, meist nur durch Anwesende beobachteten Interaktion und Versorgung zwischen Patient und Team. Nimmt man Qualitätsmanagement ernst, muss man Wege finde, auch darauf einen Blick zu werfen. Je invasiver Rettungsfachpersonal da aktiv ist, umso stärker braucht es zumindest stichprobenartig die kollegiale Draufsicht.

Wie ließe sich Ihrer Ansicht nach diese Funktion auch im deutschsprachigen Rettungsdienst verankern?
Redelsteiner: Minimum wäre, dass Schichten gelegentlich kollegial von einer zusätzlichen Fachkraft begleitet würden, die sich als Beobachter im Hintergrund hält. Solche „proficiency checks“ gibt es in vielen Bereichen, in denen ein hohes Risiko für Menschen besteht, beispielsweise in der Luftfahrt. Im Wort „proficiency“ steckt der Profi drin, ich würde es mit Fertigkeits- oder Tüchtigkeitscheck übersetzen. Dabei zeigt jemand an Hand realer Fälle seine Sachkunde in fachlicher, kommunikativer und logistischer Sicht. Das müsste dann jedenfalls auch als Fortbildung oder gegebenenfalls Teil einer Rezertifizierung anerkannt werden.

Wagen Sie eine Prognose, ob und gegebenenfalls bis wann es auch bei uns Supervisoren im Rettungsdienst geben wird?
Redelsteiner: Das „Ob“ ist keine Frage. Gerade dann, wenn Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen verstärkt invasive Maßnahmen einsetzen, ist eine Vor-Ort-Supervision erforderlich. Wichtig wird dabei die kollegiale, partnerschaftliche und menschliche Umsetzung sein. Notärzte, ärztliche Leiter und Rettungsdienstausbilder mit langer und reflektierter Praxis könnten in diese Rolle schlüpfen.

Bei genügend Personal an der Einsatzstelle können wir jetzt schon Supervision praktizieren. Das erfordert aber auch eine Schulung der Betroffenen in diesen Techniken. Da kann der erfahrene Notarzt schon mal den jüngeren Notfallsanitäter einen Einsatz führen und quasi „allein“ arbeiten lassen und ihm nachher Feedback geben. Das passiert durchaus schon in der Praxis.

Der nächste Schritt wäre das in Form von „proficiency checks“ zu institutionalisieren. Da sollten die Kostenträger im Sinne der Qualitätssicherung für ihre Mitglieder ein Finanzierungsinteresse haben.

Und dann kann man schauen, in welchem Ausmaß man das als mobiles „On Scene Coaching“ einsetzt. Im hochurbanen Bereich wird das rund um die Uhr erforderlich und auf Fragen des Qualitätsmanagements spezialisiert sein. Im ländlichen Bereich müssen wir überlegen, ob wir die Einsatzleiter oder leitenden Notärzte da fachlich und kommunikativ als geeignete Anleiter in diesen Fragen der Prozessqualität weiterentwickeln können. Das wäre aus meiner Sicht machbar, erfordert aber ein zusätzliches Methodenset. Supervision ist Coaching, Anleitung, wohlwollendes Fördern und primär nicht auf Befehlsdurchführung und unreflektierte „Normeinhaltung“ fokussiert.

Wir vermitteln übrigens bereits seit 2003 die Grundlagen für Feldsupervisoren im Fach „On Scene Coaching“ im Universitätslehrgang Rettungsdienstmanagement an der Donau Universität in Krems. Wen’s interessiert: Der 10. Lehrgang beginnt Mitte 2018.

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(Mit Prof. Dr. Christoph Redelsteiner sprach Lars Schmitz-Eggen, Redaktion www.rettungsdienst.de; 27.03.2018) [3589]

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo,
    super Idee, insbesondere, wenn man den heutigen RD so beobachtet. Steigende Arroganz könnte so “gedeckelt” werden. Im Vergleich zu früher sieht man es auch oft, dass Herzinfarktpatienten zum RTW gehen, immer unter dem kompetenten Auge des Retters…War das so gedacht ? Nur ein Beispiel von inzwischen erschreckend vielen. Also, wenn der FiSu da ein Auge drauf hat , wär schon gut.
    Aber, wenn man eine solche Institution einführt muss es zwingend auch eine für die Notärzte/innen geben. Da sieht es zwischendurch nicht besser aus.
    M.E. also eine super Idee, sofern sie konsequent im Interesse der Patienten und des guten Miteinander angewandt wird.

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