Bremen (pm) – Jörg Nießen ist Feuerwehrmann und Rettungsassistent in einer nordrhein-westfälischen Großstadt. 2010 erschien von ihm das Buch „Schauen Sie sich mal diese Sauerei an“, das bislang mehr als 150.000 Mal gekauft wurde. Auch in seinem neuen Buch „Die Sauerei geht weiter…“ schildert er mit viel schwarzem Humor die bizarren Seiten des Einsatzalltags. Ein Interview mit dem Bestsellerautor.
Nach „Schauen Sie sich mal diese Sauerei an“ ist „Die Sauerei geht weiter…“ Ihr zweites Buch. Wie lang hat es gedauert, bis genügend neuer Stoff beisammen war?
Jörg Nießen: Noch schöpfe ich zum Teil aus einem Pool von Geschichten und Ereignissen, die Jahre her sind. Es ist nicht so, dass in jeder Dienstschicht Dinge passieren, die es wert wären, anschließend für ein Buch niedergeschrieben zu werden. Ich war sehr bemüht, das Niveau des ersten Buches zu halten. Da ist manchmal Geduld gefragt, bis der passende skurrile Notfall passiert. Außerdem schränken Verschwiegenheitspicht und Ethik die Auswahl der veröffentlichten Geschichten weiter ein. In „Die Sauerei geht weiter …“ erzähle ich also wie schon bei meinem ersten Buch von ganz frischen Erlebnissen, schöpfe aber auch aus lebhaften Erinnerungen.
Welche Erfahrungswerte haben Sie aus der ersten Veröffentlichung mitgenommen?
Jörg Nießen: Ich finde es ganz wichtig, wirklich nur dann zu schreiben, wenn man tatsächlich Lust dazu hat. Steht man unter Zeitdruck und muss schreiben, wirken die Texte verkrampft und aufgesetzt. Ansonsten bin ich immer noch überwältigt von der positiven Resonanz, die dem ersten Buch widerfahren ist. Manchmal stehe ich eher ungläubig in einer Buchhandlung, betrachte mein Debüt im Regal und frage mich, ob ich überhaupt noch Teil dieser Realität bin. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, einen derart langfristig erfolgreichen Bestseller zu schreiben.
Weiß man beim zweiten Mal auf einen Blick, wann sich eine Geschichte für ein Buch eignet und wann nicht?
Jörg Nießen: Ob sich eine Geschichte für ein Buch eignet, entscheide ich spontan. Da muss ich in der Regel nicht lange drüber nachdenken. Wenn eine besorgte Dame die Feuerwehr zu einem Tiergehege alarmiert, in dem Ziegenböcke artgerechtes Balzverhalten zeigen, und wenn die Dame dann noch ihre Sorge zum Ausdruck bringt, die Tiere könnten sich verletzen, hätten womöglich schon eine Gehirnerschütterung, dann werde ich aufmerksam …
Haben Patienten Sie seit der Veröffentlichung schon einmal wiedererkannt?
Jörg Nießen: Ich wurde bisher von meinen Patienten noch nicht erkannt und glaube auch nicht, dass das jemals passieren wird. In der akuten Notfallsituation haben die Menschen anderes im Sinn als darüber nachzudenken, wo sie mein Gesicht vielleicht schon mal gesehen haben.
Wie oft kommt es vor, dass Ansprüche an Sie als Dienstleister gestellt werden, und wie äußern sich diese in besonders dreister Form?
Jörg Nießen: Das kommt schon mal vor, aber ich möchte betonen: Es sind Ausnahmen! Mein subjektives Gefühl sagt allerdings, dass die Anzahl dieser Ausnahmen steigt. Anspruchsdenken und überzogene Erwartungshaltungen sind meiner Meinung nach ein gesamtgesellschaftliches Problem. Dennoch bin ich befremdet, wenn Hausbesitzer, nachdem wir ihren Keller leergepumpt haben, auch noch verlangen, dass wir die eben noch überfluteten Räume geputzt und aufgeräumt übergeben. Wenn man die Feuerwehr ruft, darf man erwarten, dass das Feuer gelöscht wird, aber nicht, dass wir das Haus wieder in Stand setzen und renovieren.
Wird es durch Ihre berufsbedingte Konfrontation mit dem Tod und Ihren professionellen aber durchaus auch humorvollen, Umgang mit dem Thema leichter, den Verlust eines Ihnen nahestehenden Menschen zu verkraften?
Jörg Nießen: Sicherlich habe ich mich intensiver mit dem Tod auseinandergesetzt als viele andere Menschen. Ich habe vielleicht eine andere Akzeptanz, was das Thema angeht. Das Leben endet schließlich grundsätzlich tödlich. Beruflich gibt es eine professionelle Distanz zu den Schicksalen, denen ich begegne. Privat ist die Trauer, wenn es Freunde und mir nahestehende Menschen trifft, nicht weniger leidvoll und schmerzhaft als für jeden anderen Menschen auch.
Warum ist Ihnen der Kollege Hein, der ihr Partner im Buch ist, der liebste?
Jörg Nießen: Nun ja, Hein besteht aus sehr vielen Menschen, er ist quasi der Schmelztiegel aller Kollegen, die ich in den jeweiligen Geschichten beschreiben wollte. Und da ich die meisten meiner Kollegen sehr schätze, ist auch Hein mir nicht unsympathisch.
Warum würden Sie jedem jungen Menschen wärmstens empfehlen, Rettungsassistent oder Feuerwehrmann zu werden?
Jörg Nießen: Das würde ich nicht jedem empfehlen, denn nicht jeder ist für diesen Job geeignet. Ich würde jedem zunächst wärmstens empfehlen, sich sehr gut zu informieren, was ihn bei der Feuerwehr und im Rettungsdienst erwartet. Einfach mal einer Wache einen Besuch abstatten und mit den Menschen sprechen, die dort arbeiten. Ich denke, mittlerweile gibt es ausreichend Literatur, die den Berufsalltag sehr gut beschreibt, also einfach mal das Wissen anlesen. Wenn dann immer noch der Wunsch besteht, Rettungsassistent oder Feuerwehrmann zu werden: Herzlich willkommen!
Das Buch: Jörg Nießen, Die Sauerei geht weiter…, 20 neue wahre Geschichten vom Lebensretten, 256 Seiten, 9,95 EUR (D), ISBN 978-3-86265-060-6, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2012
Das Buch ist echt Super weil ich an vielen stellen dacht, ja das hatte ich auch schon mal erlebt
Und erst am Sonntagnachmittag war der Bestseller-Autor, dessen erstes Buch ich seinerzeit (muss so Ende 2010 gewesen sein) verschlungen hatte, im WDR-Fernsehen zu sehen. 🙂 Dessen 3. Programm berichtete über den Alltag einer KÖLNer Feuerwache.
Sonnige Grüße aus dem Südwesten
Das erste Buch habe ich schon verschlungen.. freue mich schon darauf das 2. in Händen zu halten
Das erste Buch war schon ein Renner, da kann das neue bestimmt mithalten (wenn es nicht sogar besser ist)!
Ich gestehe ,dieses buch war der anlaß für mich einen san-kurs zu machen 🙂 . Weiter würde ich aber nicht gehen ,und ob ein zweiter band den ersten toppen kann ?. . ICH WERD ES BALD WISSEN
Nahezu zeitgleich, nämlich im August 2012, mit Band 2 der Nießenschen Erzählungen hat der riva Verlag (ja genau, das ist der Verlag, in dem gerade Bettina Wulffs “Leidensgeschichte” erscheint!) ein ähnliches Buch herausgegeben. Es heißt: “Sie sehen aber gar nicht gut aus! Aus dem Leben eines Rettungsassistenten.” (ISBN 978-3-86883-252-2), hat 256 Seiten und kostet 9,99. Autor ist der 1974 geborene Rettungsassistent Christian Strzoda, der laut Eigenangaben mehrere Jahre auch in einer Rettungsleitstelle gearbeitet hat und daher auch diese Seite des Einsatzes kennt.
Ich habe mir das Buch heute früh gekauft und werde heute Abend anfangen es zu lesen…
Sommerliche Grüße aus dem Südwesten
@Jörn: Nun ja, wohl nicht so adrett wie Bettina Wulff, aber wohl ebenso ein begnadeter Selbstdarsteller wie diese. Schau doch mal ins Netz unter http://www.strzoda.org/ und http://www.christian.strzoda.info. Von daher passt der Verlag auch wieder.
Grüße aus dem bayerischen Alpenvorland
@Andre: Danke für Ihre Hinweise bzw. die beiden Links zu den beiden sehr informativen Websites des Herrn Strzoda. Bei letzterer hatte ich allerdings zunächst Schwierigkeiten, diese zu öffnen. Erst als ich das www. wegließ, funktionierte der Link: also einfach auf http://christian.strzoda.info klicken. Und dank Sat.1-Frühstücksfernsehen und ZDF-Sendung “Volle Kanne” erreicht der Autor bestimmt seine vornehmliche Zielgruppe und kann wohl auch keine anderweitige PR in Fachmedien gebrauchen… 😉
Weiterhin sommerliche Grüße aus dem Südwesten (für Sie wohl eher Nordwesten)
@Andre
die Links sind schon tot! 😉
Kurz vor der Frankfurter Buchmesse ist ein weiteres interessantes Buch aus der bzw. für die Retterszene erschienen: “Elf Tage im März. Als Einsatzleiter in Winnenden.” heißt das bei SCM Hänssler (www.scm-haenssler.de) im SCM-Verlag GmbH & Co. KG erschienene 144-seitige Paperback (ISBN 978-3-7751-5404-8, EUR 11,95). Darin schildert der Autor Johannes Stocker minutiös seine persönlichen Erlebnisse während der Zeitspanne 11.-22. März 2009 – also vom Tag des Amoklaufs an der Winnender Albertville-Realschule bis zur großen Trauerfeier in Winnenden. Als Rettungsdienstleiter des DRK-Kreisverbandes Rems-Murr hatte Johannes Stocker in jenen Tagen die Gesamtverantwortung für den Einsatz des Rettungsdienstes.
Der geneigte Leser erfährt Einiges über den Alltag eines Rettungsdienstleiters, über die gesundheitlichen Gefährdungen, die der verantwortungsvolle Job mit sich bringt und wie wichtig ein intaktes soziales Umfeld in solch außergewöhnlichen Situationen ist.
Persönliches Fazit: Ein kurzweiliges Buch, das aus sehr persönlicher Perspektive den Amoklauf eines ehemaligen Schülers in Winnenden aufbereitet und nicht nur für Mitglieder von Notfallnachsorge- bzw. Seelsorgeteams interessant ist.
Frühmorgendliche Grüße aus dem Südwesten
@Jörn: Vielen Dank für die Infos beider Bücher! Hab mir das Buch “Elf Tage im März” aufgrund Deines Postings kurz darauf bestellt – nicht schlecht!
Das Buch von Christian Strzoda finde ich ehrlich gesagt sogar ziemlich genial geschrieben. Ich habe das zweite Buch von Jörg Nießen auch gelesen. Ein Vergleich beider wäre ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen.
Nießen hat mit seinem zweiten Buch allerdings gehörig nachgelassen…
Viele Grüße,
Marlis
Coool 🙂
Wirklich sehr gut geschrieben, hoffentlich bringt dennoch nicht jeder jetzt ein Buch raus………wäre nur nachmacherei……