Reanimationsexperten fordern Präventionsstrategie

(Bild: Jaromir Chalabala/Shutterstock)Nürnberg/Bad Boll (DGAI) – 2023 haben in Deutschland laut Hochrechnungen des Deutschen Reanimationsregisters rund 140.000 Menschen außerhalb eines Krankenhauses einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten. Bei zirka 71.000 davon konnten Rettungsdienst oder Notärzte mit Reanimationsmaßnahmen beginnen, am Ende überlebten von diesen reanimierten Patientinnen und Patienten nur etwas mehr als zehn Prozent.

„Die Zahlen sind dramatisch und machen deutlich, dass hier absoluter Handlungsbedarf besteht“, erklärt Professor Dr. Matthias Fischer vom Organisationskomitee des Deutschen Reanimationsregisters. Denn neben dem großen menschlichen Leid verursachen diese Ereignisse auch erhebliche wirtschaftliche Schäden.

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Im Rahmen der Bad Boller Reanimations- und Notfallgespräche, die einmal im Jahr von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), dem Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) sowie dem Deutschen Reanimationsregister veranstaltet werden, hat Professor Fischer erstmals umfassende Berechnungen zu den volkswirtschaftlichen Folgen von Herz-Kreislauf-Stillständen vorgestellt.

Laut den Berechnungen von Professor Fischer betragen die volkswirtschaftlichen Kosten infolge von plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillständen etwa 35 Milliarden Euro pro Jahr. Diese entstehen insbesondere durch verlorene Arbeitsjahre, außermarktwirtschaftliche Wertschöpfungsverluste und hohe Behandlungskosten. Zum Vergleich: Die jährlichen Kosten von durch Verkehrsunfälle verursachten Personenschäden betragen laut Bundesanstalt für Straßenwesen zwischen 11,8 und 15,2 Milliarden Euro. Während jedoch Präventionsstrategien im Verkehr wie Tempolimits, Anschnallpflicht oder Fahrassistenzsysteme bereits etabliert sind, fehlt eine vergleichbare Initiative zur Senkung der Todeszahlen durch Herz-Kreislauf-Stillstände.

„Es gibt zwar vielerorts einzelne Maßnahmen wie Reanimationsschulungen, aber keine vergleichbare, flächendeckende Initiative, um die Zahl der Todesfälle durch plötzlichen Herzstillstand systematisch zu senken“, bedauert auch Professor Dr. Jan-Thorsten Gräsner, Sprecher des Organisationskomitees des Deutschen Reanimationsregisters.

Auch Professor Dr. Grietje Beck, Präsidentin des BDA, fordert ein konsequentes Umdenken: „Wir dürfen nicht nur auf den Notfall reagieren, sondern müssen gezielt präventiv handeln. Dazu gehören umfassende Schulungen der Bevölkerung in Wiederbelebungstechniken, beginnend bei den Kindern in den Schulen bis ins hohe Erwachsenenalter, und eine konsequente Weiterentwicklung der notfallmedizinischen Strukturen.”

Die Expertinnen und Experten fordern daher, dass die Erkenntnisse aus den Bad Boller Reanimations- und Notfallgesprächen stärker in die gesundheitspolitische Diskussion einfließen. In den vergangenen Jahren haben sie zentrale Stellschrauben zur Verbesserung der Überlebensrate nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand identifiziert und in ihren „10 Thesen für 10.000 Leben“ zusammengefasst. Dazu zählt auch die 2024 vorgenommene Erweiterung der klassischen Rettungskette zu einer umfassenden Überlebenskette, die neben der Akutversorgung, Rehabilitation und Nachbetreuung insbesondere auch die Prävention umfasst. Ein entscheidender Baustein ist auch die Einrichtung von Post-Reanimationsambulanzen, die Überlebende und ihre Familien langfristig begleiten und erneute Notfälle verhindern können.

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