Rotenburg (ots) – Im Rahmen der Sendung “auto mobil” (VOX) wird am Sonntag, 21. Juni, über einen schweren Lkw-Unfall auf der Autobahn A 1 zwischen Bremen und Hamburg berichtet. Unter anderem kommen Einsatzkräfte zu Wort, die ihre Erfahrungen schildern. Darüber hinaus erzählen Betroffene, welche Spätfolgen dieser Unfall bei ihnen bewirkt hat.
Der sechsspurige Ausbau der Autobahn A 1 zwischen Bremen und Hamburg stellt alle Verkehrsteilnehmer auf eine harte Belastungsprobe. Denn von den ständigen Staus gehen extreme Verkehrsbeeinträchtigungen und ein erhebliches Unfallrisiko aus.
Im Rahmen seiner Präventionsserie “Die Unfallakte” analysiert das VOX-Magazin “auto mobil” am Sonntag, 21. Juni 2009, zwischen 17.00 und 18.15 Uhr einen schweren Lkw-Unfall auf der A 1 bei Sittensen. Dort war am 12. Februar ein Silozug ungebremst mit 85 km/h in ein Stauende gerast. Dabei wurde der 55-jährige Lkw-Fahrer getötet, fünf weitere Unfallbeteiligte erlitten zum Teil lebensgefährliche Verletzungen.
“Der Lkw-Fahrer hatte keine Überlebenschance. Seine Kabine wurde durch den Aufprall auf eine Größe von gerade mal 50 cm zusammengedrückt”, so Polizeioberkommissar Frank Eden von der Autobahnpolizei in Sittensen. Dabei war die Kräfteeinwirkung derart gewaltig, dass der Silozug den am Stauende stehenden Muldenkipper auf 60 km/h beschleunigte. Dieser Truck schob dann mehrere Kleintransporter und Pkw ineinander.
“Die Menschen in den Fahrzeugen schrien laut um Hilfe. Wir standen völlig hilflos vor den Wracks und
konnten die Insassen nicht befreien”, beschreibt Lkw-Fahrer Meik Heisterberg in dem TV-Bericht bei VOX die dramatische Situation an der Unfallstelle.
Der 41-Jährige aus Sachsen-Anhalt ist der Fahrer des Muldenkippers, in dessen Heck der Sattelzug geprallt war. “Es gab einen gewaltigen Knall und ich konnte nichts mehr halten”, berichtet er. Und obwohl Heisterberg selbst nichts für den Unfall kann, macht er sich schwere Vorwürfe: “Die Bilder waren grauenvoll und selbst heute kann ich nachts manchmal nicht schlafen. Wir hatten doch alle unser Warnblinklicht eingeschaltet …”
Wie verzweifelt selbst die Rettungskräfte kämpfen mussten, um an die Unfallstelle zu gelangen, erklärt in dem TV-Film Einsatzleiter Joachim Vobienke von der Feuerwehr in Tostedt: “Es gab überhaupt keine Rettungsgassen und so hat sich unsere Anfahrt unnötig verzögert.”
Dieses Problem haben die Feuerwehren rund um den Baustellenbereich jetzt häufig. Besonders der Abtransport der Schwerstverletzten in Kliniken nach Hamburg und Bremen gestaltete sich nach dem Unfall am 12. Februar aufgrund kilometerlanger Staus auf der A 1 äußerst schwierig. “Unsere Fahrzeuge kamen einfach nicht durch. Um nicht wertvolle Zeit verstreichen zu lassen, haben wir schließlich einen
Rettungshubschrauber angefordert”, so Vobienke, der das gedankenlose Verhalten vieler Verkehrsteilnehmer in den engen Baustellen nicht nachvollziehen kann.
“Solche Einsätze sind für uns Adrinalin pur. Das erste Fahrzeug hat genau genommen immer die Funktion eines Rammbocks. Da schlägt einem jedes Mal die Halsschlagader bis ans Ohrläppchen hoch.”
Welche Kräfte durch den schweren Unfall am Stauende freigesetzt wurden, hat für VOX Dipl.-Ing. Martin Hitzemann, Unfallanalytiker bei der Dekra in Hamburg, ermittelt. “Auf das Heck des stehenden Lkw
haben etwa 150 Tonnen eingewirkt. Für die vor dem Muldenkipper wartenden Fahrzeuge war es in jedem Fall ein großes Glück, dass sie nicht direkt von dem Silozug erfasst wurden. Wie verheerend die
Energie dennoch war, zeigt der extreme Grad der Beschädigungen an den beiden Transportern”.
Eine Einschätzung, die auch Polizeioberkommissar Frank Eden von der Autobahnpolizei in Sittensen
teilt: “Der Muldenkipper hat vermutlich verhindert, dass bei diesem Lkw-Unfall weitere Menschen getötet wurden.”
Für VOX hat Unfallanalytiker Hitzemann auch den Baustellenbereich zwischen Bremen und Hamburg unter die Lupe genommen, der je Fahrtrichtung eine Länge von rund 40 Kilometern hat. Hier sind Staus
längst an der Tagesordnung und führen dazu, dass Lkw-Fahrer in den wenigen baustellenfreien Abschnitten oft zu schnell und unaufmerksam unterwegs sind.
Dipl.-Ing. Martin Hitzemann warnt: “Wer sich als Lkw-Fahrer in diesen Baustellen über einen längeren Zeitraum konzentrieren muss, wird automatisch schneller müde. Und das bedeutet auch, dass das Reaktionspotential an einem Stauende deutlich herabgesetzt wird”. Damit ist also möglich, dass der bei dem Unfall getötete Silozug-Fahrer das Stauende als Folge der ständigen Anspannungen in den Baustellen nicht wahrgenommen hat.
Der Fahrer des Muldenkippers aus Sachsen-Anhalt hat gesehen, dass sich der Silozug mit unverminderter Geschwindigkeit dem Stauende genähert hat. Durch die umfangreichen Ermittlungen der Autobahnpolizei in Sittensen kann zudem ausgeschlossen werden, dass die in diesem Abschnitt eingesetzte Stau-Warnanlage einen Ausfall hatte. “Unsere Untersuchungen haben eindeutig erheben, dass die Anlage zum Unfallzeitpunkt in Betrieb war”, berichtet Polizeioberkommissar Frank Eden.
Bei der Suche nach der genauen Unfallursache war es übrigens unmöglich, verwertbare Spuren aus der völlig zerstörten Fahrerkabine zu sichern. “Alles deutet also darauf hin, dass der Fahrer des Silozuges in irgendeiner Form abgelenkt gewesen sein muss”, so die logische Schlussfolgerung der Autobahnpolizei.