(Bild: Markus Brändli)Berlin (rd_de) – Die angespannte Situation im deutschen Rettungsdienst sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Nicht zuletzt durch den medienwirksamen Appell des neuen „Bündnis pro Rettungsdienst“ an die Politik, endlich für Abhilfe zu sorgen, verstärken immer mehr Institutionen den Druck auf die Volksvertreter.
Berlin steht beim Thema Rettungsdienst derzeit besonders in der Kritik. Hier teilte kürzlich der Rechnungshof der Bundeshauptstadt mit, dass „die Berliner Feuerwehr den Personalbedarf im Rettungsdienst nicht sachgerecht auf Grundlage einer Personalbedarfsberechnung ermittelt hat. Zudem hat sie das festgelegte Schutzziel für den Rettungsdienst im Jahr 2018 nur zu 55,3 Prozent erreicht. Ohne eine Reduzierung der Einsatzzahlen, organisatorische Optimierungen und ggf. eine Anpassung des Schutzziels wären nach Berechnungen des Rechnungshofs unter Zugrundelegung eines von der Berliner Feuerwehr für die Rund-um-die-Uhr-Besetzung verwandten Personalfaktors rechnerisch zusätzlich 66 Rettungswagen und 24 Noteinsatzfahrzeuge mit 1.003 zusätzlichen Dienstkräften erforderlich. Deren Zahl würde sich bei Anwendung des vom Rechnungshof ermittelten Personalfaktors auf 1.614 Dienstkräfte erhöhen.“
Der Landesverband Hamburg der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) weist darauf hin, dass Fahrzeuge der Rettungsdienstanbieter in der Hansestadt aufgrund von Personalmangel nicht mehr besetzt werden können. Löschfahrzeuge würden regelmäßig außer Dienst genommen, um mit dem dadurch freigewordenen Personal Rettungswagen zu besetzen. „Eine Abwanderungswelle zu attraktiveren Feuerwehren und Arbeitgebern trifft derzeit die Feuerwehr Hamburg“, heißt es in einer DFeuG-Mitteilung. Zum 1. Januar 2024 würde der Feuerwehr Hamburg zudem eine dreistellige Zahl an Notfallsanitätern fehlen. Damit würde sich die Situation im Rettungsdienst nochmals verschärfen, da alle Einsatzleiter auf den Rettungswagen wegfielen, die nicht über die gesetzlich geforderte Qualifikation „Notfallsanitäter/-in“ verfügten.
„Ohne Standesdünkel an tragfähigen Lösungen arbeiten“
Die Malteser sehen die Gefahr der Überlastung auch und hatten bereits vor Wochen vor möglichen drohenden lokalen Unterversorgungen im Rettungsdienst gewarnt. Viele Vorschläge des „Bündnisses pro Rettungsdienst“ würden in die richtige Richtung gehen, so Dr. Sophie von Preysing, Regional- und Landesgeschäftsführern der Malteser in NRW. Bundes- und Landespolitik, Kommunen, Kassen und Berufsvertretungen seien jetzt gefordert, konzentriert und ohne Standesdünkel an tragfähigen Lösungen zu arbeiten, heißt es in einer Mitteilung der Malteser.
Durch die Schaffung von deutlich mehr Notfallsanitäter-Ausbildungsplätzen im Rahmen der Fortschreibung der Rettungsdienstbedarfspläne durch die Träger des Rettungsdienstes und die Krankenkassen wäre kurz- und mittelfristig eine Entspannung der Lage möglich, ist von Preysing überzeugt. „Wir brauchen nicht noch mehr Rettungsmittel, sondern schlicht mehr Personal und ein sehr viel besseres Einsatzmanagement“, fordert von Preysing.
Auch das Verhindern von unnötigen Anrufen bei der 112 könnte die Lage im Rettungsdienst verbessern. Die Malteser fordern daher wie das „Bündnis pro Rettungsdienst“ eine engere Verzahnung zwischen der Notrufnummer 112 und der Nummer 116117 des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes.
Dies sieht auch das DRK unter anderem in Baden-Württemberg so. Das Deutsche Rote Kreuz plädiert dafür, die Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 wieder in den integrierten Leitstellen zu disponieren. Als vielversprechende Innovation zur Ergänzung des Rettungsdienstes müsse zudem das Konzept des Gemeindenotfallsanitäters in Baden-Württemberg erprobt werden. Gemeinsam mit den anderen im Rettungsdienst tätigen Hilfsorganisationen vertrat kürzlich Marc Groß, Geschäftsführer des DRK-Landesverbands Baden-Württemberg, diese Position vor der Enquetekommission des Landtags in Stuttgart.
„Verschiebung der Belastung auf das Ehrenamt“
„Im Rettungsdienst ist eine dringende Entlastung nötig! Die derzeitige Überlastung führt nicht nur zu Risiken für die Bevölkerung, sondern auch zur Verschiebung der Belastung auf das Ehrenamt“, bekräftigt Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), die aktuelle Zustandsbeschreibung des „Bündnis pro Rettungsdienst“ zu den Risiken im Rettungsdienst.
Wenn der Rettungsdienst ausgelastet sei, werde bei den hauptamtlichen Trägern Personal aus dem Brandschutz umgeschichtet. „Die dann im Einsatzfall fehlenden Kräfte werden gegebenenfalls über die Alarmierung ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger kompensiert. Die Entwicklung dorthin ist seit vielen Jahren absehbar und kommuniziert“, warnt Banse. „Auch wenn die Landkreise und Kommunen als Rettungsdienst-Träger die primäre Verantwortung für die Organisation und Durchführung des Rettungsdienstes tragen, liegen wichtige Einflussfaktoren auf anderen Ebenen“, erläutert er. „Wir sehen ebenfalls, dass ein dringliches Handeln im Rettungsdienst geboten ist, und bieten unsere Mitarbeit bei der Reformierung an“, resümiert der DFV-Präsident.
Am Montag letzter Woche (12.12.2022) übergab die DFeuG 135.000 Unterschriften an die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Linken und an die FDP im Bundestag. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Johann Saathof (SPD), nahm die Petition stellvertretend für das Bundesinnenministerium entgegen. Mit der Petition will die Gewerkschaft auf die prekäre Situation des Rettungsdienstes in Deutschland aufmerksam machen. Zusätzlich wurden 112 Kaffeepäckchen überreicht. „Vielleicht hilft der Kaffee beim Aufwachen“, scherzte der stellvertretende Vorsitzende der DFeuG, Lars Wieg.
Es ist bezeichnend, wie alle Beteiligten ein – für Insider und an der Basis Tätige völlig offensichtliches – Thema meiden: Die standardisierte Notrufabfrage in den Leitstellen und ihre Folgen!
In Berlin hat der BerlinBrennt e. V kürzlich eine Faktenserie veröffentlicht. Auffälligste Erkenntnis (neben stagnierenden Personalzahlen und maximaler Arbeitsverdichtung): Die Anzahl der eingehenden Notrufe ist seit den 90er Jahren fast unverändert! In Berlin schwankt die Zahl seit über 20 Jahren zwischen 1 und 1,2 Millionen im Jahr!
Damit entfallen die üblichen Erklärungen von höherer Anspruchshaltung, demografischer Wandel, Bevölkerungswachstum, wachsende Einwohnerzahl etc. Und es wird klar:
Aus derselben Anzahl Notrufe werden über doppelt so viele Einsätze erzeugt. Das Problem ist also hausgemacht!
Aber mit dieser Erkenntnis lassen sich natürlich keine neuen Posten generieren …
Warum gibt es in Altenheimen bei Patienten mit Pflegegrad 5 keine Vorabverfügung und es wird bei Bewusstlosigkeit der Rettungsdienst alarmiert – eine schnelle Abklärung mit Bevollmächtigten/Betreuern ist nicht möglich und so werden diese Patienten in die Maximalversorgung transportiert und dort oft wochenlang behandelt – bis sie sterben, oder werden nach kurzer Zeit entlassen und der Kreislauf beginnt von Anfang an.
Auch bei ambulanten Intensivpflegefällen (Pflegegrad 5) macht sich niemand im Voraus Gedanken, was geschehen soll, wenn plötzlich Fieber oder ein Herzstillstand auftritt.
All diese Patienten werden infolge der fehlenden Vorabverfügung oft am Lebensende gequält. Waschen, betten, drehen … all das löst auch bei Apallikern Stress aus (Zittern, Schweißausbruch, Tachykardie, Hypertonie) ….