Schlaganfälle bei Kindern werden oft nicht erkannt

(Bild: Markus Brändli)Stuttgart (DSG) – Jährlich kommt es bei zwei bis acht von 100.000 Kindern zu einem plötzlichen Verschluss einer Gehirnarterie. Oft vergeht jedoch viel Zeit, bis bei den jungen Patienten ein Schlaganfall richtig diagnostiziert und behandelt wird, mahnt die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG).

„Während die Behandlung erwachsener Schlaganfall-Patienten in Deutschland einem ausgefeilten Protokoll folgt und auf eine schnellstmögliche Versorgung ausgerichtet ist, dauert es bei Kindern noch immer durchschnittlich 23 Stunden, bis überhaupt die Diagnose gestellt wird“, sagt Dr. med. Lucia Gerstl, Leiterin des Deutschen Netzwerks Pediatric Stroke und Sprecherin der Initiative Pediatric Stroke am Klinikum der LMU München. Dabei gelte die Devise „Time is Brain“ bei Kindern genauso wie beim Erwachsenen – je schneller die Behandlung einsetze, desto geringer ist das Ausmaß der bleibenden Schäden. Bei Erwachsenen wird eine Wiedereröffnung des blockierten Gefäßes binnen 90 Minuten angestrebt.

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Die Folgen der schleppenden Behandlung bei Kindern können gravierend sein. „Nur rund jedes dritte Kind erholt sich nach einem Schlaganfall vollständig, bei einem Großteil kommt es zu langfristigen neurologischen Beeinträchtigungen wie einer Halbseitenlähmung oder einer Epilepsie“, erklärt Gerstl.

„Oft wird allein aufgrund des jugendlichen Alters nicht sofort an einen Schlaganfall gedacht“, ergänzt Professor Dr. med. Armin Grau, Direktor der Neurologischen Klinik am Klinikum der Stadt Ludwigshafen und 1. Vorsitzender der DSG. Zudem gebe es bei Kindern mehr mögliche andere Ursachen für die beobachteten Symptome.

In einer Studie, für die Lucia Gerstl gemeinsam mit Kollegen kindliche und jugendliche Schlaganfall-Patienten untersuchte, zeigte sich, dass 91 Prozent der Kinder als erste Anzeichen fokale Ausfallerscheinungen wie eine Halbseitenlähmung, Gesichtslähmungen oder plötzlich auftretende Sprachstörungen entwickelten. Lucia Gerstl und ihr Team haben daraus die griffige „beFAST“-Pocketcard für jede Kitteltasche gemacht.

„FAST-Symptome sollten daher auch bei Kindern immer an einen Schlaganfall denken lassen und Anlass für eine sofortige bildgebende Untersuchung sein“, betont Gerstl – auch dann, wenn gleichzeitig eher unspezifische Beschwerden wie Übelkeit oder Kopfschmerzen oder aber auch Krampfanfälle auftreten. Zudem traten bei einem Teil der Kinder die Symptome nicht schlagartig auf, sondern zeigten einen „stotternden“ oder progredienten Verlauf. Auch das dürfe keinesfalls dazu verleiten, die Diagnose Schlaganfall auszuschließen, mahnt Gerstl.

Um die Versorgung zu verbessern, wird derzeit eine S3-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des kindlichen Schlaganfalls erarbeitet sowie ein bundesweites Kinderschlaganfall-Register aufgebaut. Das Netzwerk setzt sich außerdem dafür ein, die Kinderneurologie als Notfalldisziplin zu etablieren sowie interdisziplinäre Strukturen zur Akut- und Langzeitversorgung zu schaffen, auch unter Einsatz von Telemedizin.

„Das oberste Ziel muss es sein, die Zeit bis zu Diagnose und Therapiebeginn zu verringern, damit auch der Einsatz von Lysetherapie und mechanischer Thrombektomie grundsätzlich möglich ist. In der Postakutphase ist die Verringerung der hohen Rezidivrate von im Mittel rund 30 Prozent bei Kindern eine unserer Prioritäten“, sagt Gerstl.

Eine zentrale Rolle spielt hierbei auch die Ursachenforschung: In ihrer Studie wiesen 40 Prozent der betroffenen Kinder mindestens zwei der bekannten Risikofaktoren für einen Schlaganfall im Kindesalter auf. Dazu zählen
• Blutgerinnungsstörungen,
• Herzerkrankungen,
• Veränderungen der Hirngefäße (zum Beispiel durch Entzündung),
• schwere Infektionen,
• Stoffwechselstörungen oder
• genetische Ursachen.
Diesen Risikofaktoren mehr Beachtung zu schenken, könnte den Weg zu einer schnelleren Diagnose, in manchen Fällen auch zu präventiven Maßnahmen und zur Vermeidung weiterer Schlaganfälle ebnen, teilte die DSG mit.

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