Überdurchschnittlich viele RTW-Einsätze in Brandenburg
(Bild: (Symbol) Markus Brändli)Berlin (IGES) – Eine Studie des IGES-Instituts und der Clinischen Studien Gesellschaft (CSG) hat ergeben, dass in Brandenburg überdurchschnittlich häufig Rettungswagen alarmiert werden. Ursachen sind die niedrige Arztdichte, ein hoher Altersdurchschnitt und mangelnde Transportalternativen.
Wie das IGES-Institut am Mittwoch (08.09.2021) mitteilte, seien die Brandenburgerinnen und Brandenburger mit der medizinischen Notfallversorgung mehrheitlich zufrieden. Sie nutzten dabei allerdings im Vergleich zu anderen Bundesbürgern überdurchschnittlich häufig Rettungswagen und Notfallstellen der Krankenhäuser statt ambulanter Angebote.
Experten raten daher, Notfalleinsätze besser zu steuern und weiterhin für mehr erreichbare ambulante Angebote im Akutfall zu sorgen. Nötig sind ferner Maßnahmen, um vor allem in dünn besiedelten Regionen Brandenburgs die Versorgung schwerwiegender Notfälle wie Herzinfarkt oder Schlaganfall weiter zu verbessern. Vielversprechende Modellprojekte sollten ausgebaut werden.
Es handelt sich um die Ergebnisse eines umfassenden Forschungsprojekts über die Notfall- und Akutversorgung in Brandenburg, die kürzlich auf einem Fachsymposium vorgestellt wurden. Erstmals gemeinsam und drei Jahre lang hatten Verbände der Krankenhäuser, Ärzte, Krankenkassen und Politik analysiert, wie Menschen in Brandenburger in Notsituationen ärztliche Hilfe finden und wie dies optimiert werden kann. Initiiert hatte das Vorhaben die brandenburgische Landesregierung im Jahr 2016. Experten des IGES-Instituts und der Clinischen Studien Gesellschaft (CSG) realisierten es von 2017 bis 2020.
Während in Brandenburg 76 Prozent der Notfälle in Krankenhäusern behandelt werden, sind es im Bundesdurchschnitt nur 55 Prozent (Jahr 2017). Und auch der Rettungswagen kommt überdurchschnittlich häufig zum Einsatz: 121-mal je 1.000 Einwohner war dies 2018 der Fall, bundesweit hingegen nur 78-mal je 1.000 Einwohner.
Eine Ursache dieser erhöhten Inanspruchnahme von stationären Notkapazitäten ist der hohe Altersdurchschnitt in Brandenburg. Es ist das Bundesland mit dem viertgrößten Anteil von Über-65-Jährigen. Hinzu kommt die bundesweit niedrigste Arztdichte in dem Flächenland. Nach einer Befragung von 1.200 Menschen in Brandenburg für die Studie sieht jeder Zweite einen Hausarztmangel. Mehr als jeder zehnte gab an, außerhalb von Praxisöffnungszeiten in als dringend empfundenen Situationen am ehesten den Rettungsdienst zu rufen.
Die Wissenschaftler empfehlen eine bessere Steuerung der Kapazitäten des Rettungsdienstes. In Brandenburg hat zwischen 2008 und 2018 die Zahl der Notfallrettungseinsätze um fast 47 Prozent zugenommen. Eine Auswertung von Rettungsdienstdaten zeigte jedoch, dass 40 Prozent dieser so versorgten Patienten nur sehr geringe Krankheitsschwere aufwiesen und einen Rettungswagen gar nicht benötigten. Sie nahmen diesen möglicherweise nur mangels alternativer Transportmöglichkeiten bei akuten Beschwerden in Anspruch. Die Studienautoren empfehlen daher, Transportalternativen zu schaffen und Rettungsleitstellen statt Rettungswagen auch Krankentransporte disponieren zu lassen.
Mithilfe von Tele-Notärzten und einer weiteren Stärkung der Kompetenzen von Rettungskräften könnten zudem unnötige Notarzteinsätze verhindert werden.
Herausforderung bleibt weiterhin die Fahrzeiten des Rettungsdienstes, der gesetzlichen Vorgaben zufolge in 95 Prozent aller Fälle seinen Einsatzort innerhalb von 15 Minuten erreichen sollte. Diese Vorgabe konnte in den vergangenen Jahren lediglich in kreisfreien Städten, jedoch in keinem der Landkreise Brandenburgs erreicht werden. Besonders häufig war dies bei kleineren Rettungswachen mit weniger als 1.000 Einsätzen im Jahr der Fall.
Landesweit gibt es 154 Rettungswachen. Von 132 von ihnen, für die Daten vorlagen, hatten 28 im Mittel weniger als eine Rettungsfahrt pro Tag. Dies bedeutet, dass insgesamt knappe medizinische Kapazitäten hier kaum genutzt werden. Die Studienautoren empfehlen daher zu prüfen, ob Rettungswachen konzentriert werden können. Dies könnte durch den Ausbau der Luftrettung mittels Hubschrauber flankiert werden.
Zudem sollten vielversprechende, derzeit noch regional begrenzte Modellprojekte im Rettungsdienst ausgeweitet werden. Dazu gehören minderdringliche Notfalltransporte oder spezifizierte Krankenfahrten.
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