Naloxon: Wirkung in Sekundenschnelle
Bremen (rd_de) – Die Ursachen einer Opiat-Intoxikation sind vielfältig. Vor allem in Großstädten wird der Rettungsdienst häufig mit Drogenintoxikationen konfrontiert. Wird eine vigilanzgeminderte Person (GCS < 12) aufgefunden, bei der zusätzlich Miosis, Bradypnoe oder Hinweise auf einen Drogenkonsum vorliegen, kann die Diagnose „Opiat-Intoxikation“ mit relativ hoher Sensitivität gestellt werden.
In der Regel wird dann Naloxon als kompetitiver Opiat-Antagonist appliziert. Das heißt, er besetzt und blockiert Opiat-Rezeptoren, an die dann keine Opiate mehr binden und einen Effekt auslösen können. Naloxon hebt damit zentralnervöse Dämpfungszustände vollständig oder teilweise auf, die durch natürliche und synthetische Opiate verursacht wurden.
Naloxon: Indikationen für den Rettungsdienst
So ergeben sich für den Rettungsdienst folgende Indikationen zum Einsatz von Naloxon:
• Therapie einer Opiat-Überdosierung, zum Beispiel bei Patienten, die erstmals Fentanyl-Pflaster (Schmerzpflaster) verordnet bekommen haben,
• Therapie einer Atemdepression im Rahmen von Opiat-Drogenintoxikationen,
• Diagnosefindung bei Verdacht auf Opiat-Überdosierung oder -intoxikation und
• Therapie der Atemdepression und anderer zentralnervöser Dämpfungszustände beim Neugeborenen, wenn die Mutter Opiate erhalten hat.
Naloxon: Wirkung innerhalb von 60 Sekunden
Die Wirkung von Naloxon tritt innerhalb von 60 Sekunden ein. Daher sollte vorsichtig titriert werden. Die Halbwertszeit ist im Vergleich zu denen der Opiate mit 60 bis 90 Minuten relativ kurz. Es muss also mit einem Rebound-Phänomen der Intoxikationssymptomatik nach Abklingen der Naloxon-Wirkung gerechnet werden. Da Naloxon mancherorts als Drogennotfallprophylaxe Ersthelfern in die Hand gegeben wird, führen Kritiker dieser Projekte unter anderem diesen Aspekt als Gegenargument ins Feld.
Naloxon wird klassischerweise intravenös verabreicht, kann aber auch intramuskulär oder subkutan appliziert werden. Mit entsprechendem Applikator ist auch eine nasale Gabe möglich. Dies bietet sich vor allem bei Drogenabhängigen an, weil hier meist ein desolater Venenstatus vorliegt. Außerdem muss dann nicht mit Nadeln hantiert werden, was die potentielle Infektionsgefahr durch Nadelstichverletzungen minimiert.
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Häufige Nebenwirkungen einer Naloxon-Gabe sind Übelkeit und Erbrechen sowie Blutdruckanstieg. Bei Patienten mit bekanntem Bluthochdruck muss dieser daher engmaschig kontrolliert werden. Ein großes Problem ist die nahezu schlagartige Aufhebung des „Kicks“ bei Heroinabhängigen. Das führt meist zu einem Erwachen des Patienten. Dieser ist aber erfahrungsgemäß meist höchst unkooperativ.
Auch ein akutes Entzugssyndrom kann mit Naloxon sowohl bei Abhängigen wie auch bei therapeutisch auf Opiate eingestellten Schmerzpatienten ausgelöst werden. Letztere entwickeln unter Naloxon dann auch akute und starke Schmerzen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kammerflimmern, allergische Reaktionen, Entwicklung eines Tremors und epileptische Anfälle.
Naloxon: Lungenödem als Nebenwirkung
Selten, aber gefürchtet ist die Ausbildung eines naloxoninduzierten Lungenödems (NLÖ). Dabei kommt es zu einer fulminanten Verschlechterung des alveolären Gasaustauschs. In den meisten Fällen kann das Lungenödem zwar erfolgreich intensivmedizinisch behandelt werden. Es sind jedoch auch letal verlaufende Fälle bekannt.
Die Ausbildung eines NLÖ scheint dosisunabhängig zu sein. Es existieren keine Daten zu einer „sicheren“ Naloxon-Dosis. Es sollte jedoch fraktioniert (0,1 bis 0,2 mg) verabreicht werden. Bei den in der Literatur beschriebenen Fälle eines NLÖ wurden Dosen zwischen 0,04 und 0,4 mg verabreicht. Die genaue Pathogenese des NLÖ ist unklar.
(Text: Jürgen Auerhammer, Anästhesist, Notarzt; Symbolfoto: Markus Brändli; zuletzt aktualisiert: 20.08.2018) [1789]
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