Bremen (rd_de) – Der durchschnittliche Sanitätsdienst besteht in der Regel aus Warten. Von Zeit zu Zeit wird der Notfallrucksack oder das Paramedic Bag geschultert, weil es auf Streife geht. Das kann dann einen mehr oder weniger langen Fußmarsch bedeuten. Bei großräumigen Veranstaltungen wird der Einsatzleiter seine Kräfte von Anfang an dezentral postieren – wohlwissend, dass er damit seinen Mitarbeiter-Pool in der zentralen Sanitätsstation ausdünnt. Dass es Alternativen zur traditionellen Fußstreife gibt, zeigen wir hier.
Ein Problem der besonderen Art ergibt sich, wenn die Veranstaltung nicht an einem Standort stattfindet, sondern sich räumlich verändert. Radrennen, Inline-Skate-Events und Laufveranstaltungen jeder Art sind hierfür typische Beispiele. Dann muss der Sanitätsdienst zusehen, wie er schritthalten kann.
1. Motorräder
Motorräder sind schnell und wendig. Sie verfügen über eine hohe Zuladungsmöglichkeit. Im Fußgängerbereichen kommen sie vergleichsweise gut voran. Und zudem erfordern sie vom Helfer, der mit dem Motorrad unterwegs ist, einen geringen Grad an Fitness.
Gerade bei Lauf- und Radveranstaltungen, die zum Teil durch stille Parks und einsame Waldgebiete führen, erscheinen Motorräder aber oftmals als zu laut. Außerdem dürften sich einige Teilnehmer durch die Abgase belästigt fühlen.
2. E-Bikes/Pedelecs
Bei Pedelecs wird die Motorunterstützung nur bei Tretbewegungen freigegeben. Sie dürfen bis zu 25 km/h schnell sein. In der EU gelten sie als Fahrräder und sind dadurch zulassungsfrei. Im Gegensatz dazu wird beim E-Bike ähnlich wie beispielsweise beim Mofa die Motorleistung ausschließlich über einen Drehgriff geregelt.
Als „Light-Version“ zu Motorrädern können Fahrräder mit Elektromotor – so genannte E-Bikes oder Pedelecs – gesehen werden. Auch sie sind wendig, noch dazu schmal und gut im direkten Umfeld von Fußgängern einsetzbar. Zudem sind sie relativ schnell und setzen vom Helfer kaum Zusatzqualifikation voraus.
Nachteile dieser Gefährte: Ganz ohne Einweisung in die Technik geht’s nicht. Die Zulademöglichkeiten sind deutlich geringer als bei einem Motorrad, und sie sind nur bedingt geländegängig. Fällt die Wahl auf ein E-Bike, sind Führerschein und Zulassung erforderlich.
3. Fahrräder
Fahrräder im Rahmen eines Sanitätsdienstes einzusetzen, ist nun keine ganz neue Idee. Das heißt aber nicht, dass jeder Einsatzleiter diese Möglichkeit der Fortbewegung für seine Sanitätskräfte im Blick hat. Dabei weisen Fahrräder einige Vorteile auf: günstig in der Anschaffung und im Unterhalt, emissionsfrei, kaum Schutzausrüstung erforderlich, wendig und schmal.
Womit Fahrräder im Sanitätsdienst freilich nicht dienen können: Im wirklich dichten Gedränge kommen Fahrradstreifen kaum voran; die Mitnahmemöglichkeit von Ausrüstungsteilen ist sehr eingeschränkt; die Fahrer sollten leidlich fit sein; in der Regel sind die Räder nur mäßig fürs Gelände geeignet. Und die Diebstahlgefahr sollte auch nicht außer Acht gelassen werden.
4. Segways
Ein Aspekt, der im Rettungs- und Sanitätsdienst eine größere Rolle spielt, ist der Aufmerksamkeitsfaktor. Und der dürfte einem mit dem Segway als Fortbewegungsmittel gesichert sein. Die einachsigen, motorbetriebenen Gefährte wurden bereits bei einigen Sanitätsdiensten eingesetzt und konnten offenbar – unter den jeweiligen individuellen Bedingungen – überzeugen.
Segways sind überraschend schnell, erfordern kaum Schutzausrüstung und keine Fitness von den Einsatzkräften. Zudem bieten sie ausreichend Platz, um notfallmedizinisches Equipment unterzubringen.
Doch auch diese Einachser weisen Nachteile auf. Insgesamt sind sie teuer – sowohl in der Anschaffung als auch im Unterhalt; Geländegängigkeit ist kaum vorhanden, und ohne intensive Einweisung sollte keiner unbegleitet auf ein Segway steigen.
5. Pferde
Mit Pferden zum Sanitätsdienst? Warum nicht, wenn die Möglichkeit besteht! Ein normales Pferd erreicht locker 30 km/h im Galopp. Geländegängigkeit steht zudem außer Frage. Und bedingt können Sanitäter hoch zu Ross auch im Fußgängerbereich eingesetzt werden.
Unabdingbar sind allerdings neben hohem reiterlichem Können eine große Stressresistenz bei Ross und Reiter. Zudem ist die Verletzungsgefahr nicht zu unterschätzen. Ohne ausreichende Fitness wird diese Fortbewegungsmöglichkeit nicht infrage kommen. Und die Möglichkeiten, Equipment mitzunehmen, sind eingeschränkt.
Fazit
Es gibt durchaus Alternativen zur klassischen Fußstreife. Je nach Veranstaltung und Örtlichkeit, haben diese alternativen Fortbewegungsmittel unschlagbare Vorteile. Sie sind zum Teil deutlich schneller, können unter Umständen mehr an Ausrüstung mitnehmen und besitzen womöglich einen hohen/höheren Aufmerksamkeitsfaktor.
Doch auch Fußstreifen bieten Vorzüge, die kein Motorrad oder Segway erreicht: Sanitäter per Pedes können auch in der dichtesten Menschenmenge eingesetzt werden. Bei Distanzen bis zu zirka 500 Metern sind sie immens schnell vor Ort. Und je nach körperlicher Konstitution können sich Geländegängigkeit sowie „Materialzuladung“ durchaus sehen lassen. Und nicht zuletzt stellen sie die einzige Möglichkeit der hier genannten Alternativen dar, um einen Patienten über eine begrenzte Strecke fortzubewegen.
(Text: Helmut Stark, Rettungsassistent, Einsatzleiter Rettungsdienst, freier Journalist; 14.08.2017) [1717]
Die Herausforderung eines überwiegenden Wartens haben andere nichtpolizeiliche BOS (Bereitstellungsraum Feuerwehr und KatS; Rettungsdienst über feste oder mobile Wachen; Logistik an Vorratsstellen, etc.) auch.
Bei Groß- und Massenveranstaltungen (Konzerte, Umzüge, Brauchtum) wird es für einen leistungsfähig aufgestellten Sanitätsdienst, im Vorfeld des Regelretungsdienst, immer wichtiger, gemeldete Einsatzorte sehr schnell zu erreichen. Dies ist bei Meldewege über Dritte, bei durch Menschenmassen verstopften Straßen, oder bei schwierigen sowie nur plakativen Ortsbezeichnungen (Parks, Uferpromenaden, großen Parkplätzen, verwinkelten Einkaufzentren oder öffentlichen Einrichtungen, etc.) oft keine triviale Aufgabe.
Hier verstreichen oft unnötig mehrere Minuten, bis dann endlich mit ggf. erforderlichen Notfallmaßnahmen durch Sanitätshelfer bzw. Erstversorgungstrupps (EVT, First Responder) begonnen werden könnte. Für nachgeforderte Rettungsmittel besteht die gleiche Problematik ebenso. In der angebrochenen Dämmerung müssen Besatzungen auf einem größeren Platz den EVT auch erst mal finden, wenn dieser mit drei Kräften einen am Boden liegenden Patienten umfangreich betreuen. Bei hunderten Besuchern rundum wird eine wirkliche Ablaufunterstützung von Passanten zur “Einweisung” oft von Zufällen abhängig sein. Erst recht, wenn mehrere unabhängige EVT-Einsatzorte in räumlicher Näher zueinander liegen.
Vor diesem Hintergrund sollten Bewegungsalternativen für klassische Sanitätsstreifen, also das permanente Begehen potentieller Einsatzareale durch mehrköpfige EVT mit Notfallrucksack bzw. erweiterter Notfallausstattung 8nicht nur AED), nicht übertrieben werden. Nicht nur in Fußballstadien, sondern schon bei kleinen Schützenumzügen (Wechseln der Straßenseite!), oder im Besuchsraum öffentlicher Konzertflächen helfen derartige Optionen wegen des zusätzlichen Risikos (Bremsweg, Pferdetritte, u.ä.) kaum weiter.
Wohl aber die gezielte Einbeziehung von Statusmeldungen und fortlaufender GPS-Standortübertragungen via BOS-Digitalfunk via HRT bzw. Handfunkgeräten. Hierüber kann der Sanitätsdienstdisponent permanent verfolgen, wo sich seine EVT auch außerhalb einer Unfallhilfstelle räumlich aufhalten und ob gemeldete Einsatzorte tatsächlich wie beschrieben (Mehrfacheinsätze?) aufgefunden wurden. Ein dringender Sprechwunsch (SDS-Status 0), verbundenen mit einer automatischen GPS-Standortübertragung, zeigt den tatsächlichen EVT-Standort an, welcher dann auf Grundlage einer elektronisch hochauflösenden Kartendarstellung auf einem PC-Monitor sehr präzise an das ausrückende Rettungsmittel weiter gegeben wird.