Wie der Defibrillator in den Rettungswagen kam

(Bild: Corpuls)Bremen (rd_de) – EKG und Defibrillator gehören heute zur Standardausrüstung der meisten Rettungsfahrzeuge. Das war nicht immer so. Wie der Defibrillator in den Rettungswagen kam und was die heutigen Hightech-Geräte zu bieten haben, lesen Sie hier.

Vor nicht allzu langer Zeit – die lang gedienten Rettungsdienst-Mitarbeiter werden sich erinnern – war ein Elektrokardiogramm (EKG) auf dem Rettungswagen eine Seltenheit. Die großen und schweren Geräte fand man, wenn überhaupt, nur auf Notarztfahrzeugen oder an Bord von Rettungshubschraubern. Alle Geräte funktionierten nur manuell. Über die Extremitätenableitung konnten drei Ableitungen geschrieben werden. Wer mehr wissen wollte, musste umständlich umkonnektieren.

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Automatisierte Externe Defibrillatoren

Gegen Ende der 1990er-Jahre kamen in Deutschland die ersten Automatisierten Externen Defibrillatoren (AED) auf den Markt. Diese AEDs besaßen in der Regel keinen Monitor; eine optische Beurteilung des EKG-Bilds war daher nicht möglich. Dafür waren sie klein und handlich. Dennoch war man mancherorts der Ansicht, den Platzbedarf im Umfeld des Patienten für den Einsatz eines solchen AEDs per Dienstanweisung regeln zu müssen.

AED FRED Easyport. (Bild: Schiller)

(Bild: Schiller)Hinzu kam, dass in der Anfangszeit die Bedienung des AEDs einem Notarzt vorbehalten war. Widersprüchlich erscheint da die Praxis, dass zeitgleich die gleichen Geräte zum Beispiel in U-Bahn-Stationen öffentlich zugänglich hingen und von jedermann als Ersthelfer für die Frühdefibrillation genutzt werden sollte. Um die Qualität dieser Frühdefibrillation zu dokumentieren, wurden alle Maßnahmen sowie Gespräche rund um den Patienten aufgezeichnet und später ausgewertet.

Heute sind die so genannten Defis aus Rettungsmitteln, die in der Notfallversorgung eingesetzt werden, nicht mehr wegzudenken. Neben diversen EKG-Ableitungen und Defibrillation ermöglichen die Apparate mittlerweile eine Vielzahl weiterer Diagnosemöglichkeiten wie Kapnometrie, Pulsoxymetrie oder Blutdruckmessung.

Strenge Qualitätsprüfung für Defibrillatoren

Über die Funktionsweise bzw. Qualität der Funktion – sei es die Darstellung des EKG oder die Zuverlässigkeit der Defibrillation – wachen das Medizinproduktegesetz in Gestalt des TÜV oder der Dekra. Sollte es bei einem auf dem Markt befindlichen Medizinprodukt zu Sicherheitsproblemen kommen, bei denen ein Produktmangel als Ursache für einen Todesfall oder eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustandes vermutet wird, nimmt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Risikobewertung vor. Das BfArM ist eine selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums.

Wenn das BfArM aus Sicherheitsgründen eine Änderung am Produkt oder an der vom Hersteller durchgeführten bzw. vorgesehenen korrektiven Maßnahme für notwendig hält, spricht es eine Empfehlung an den Hersteller und die Überwachungsbehörden der Bundesländer aus. Denn bei den Landesbehörden liegen die Zuständigkeiten und die gesetzlichen Möglichkeiten, diese Empfehlungen zu überwachen oder anzuordnen, wenn der Hersteller sie nicht in eigener Verantwortung umsetzt. Informationen zu Risikobewertungen einzelner Medizinprodukt, also auch zu Defibrillatoren, werden auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (www.bfarm.de) veröffentlicht.

Einweisung auf Defibrillator ist Vorschrift

Der Betreiber der Defibrillatoren, also die Rettungsdienstorganisation, hat dafür zu sorgen, dass alle Anwender die erforderlichen Einweisungen und Wiederholungs-Einweisungen zur Aufrechterhaltung der Kenntnisse erhalten. Zu dieser Bringschuld gehört eine ordnungsgemäße Dokumentation im Rahmen des Qualitäts- und Risikomanagements.

Der Anwender hingegen, in diesem Fall der Mitarbeiter im Rettungsdienst, handelt in eigener Verantwortung. Er darf ein Medizinprodukt erst dann anwenden, wenn er im Umgang und der sachgerechten Anwendung sicher ist. Er ist verpflichtet, sich eigenständig um die erforderlichen Einweisungen und Folgeeinweisungen zu bemühen. Diese Holschuld und der Tatbestand eines Vergehens bei fehlender Einweisung sind Anwendern nicht immer bekannt.

(Bild: rd_de)

Wahl des „richtigen“ Defibrillators

Welcher Defibrillator ist zu empfehlen? Eine verbindliche Antwort ist hier nicht möglich. Technisch dürften alle Modelle der namhaften Anbieter auf der Höhe unserer Zeit sein. Unterschiede sind nur im Detail zu finden. Doch nur weil die Belegschaft sich ein bestimmtes Modell wünscht, wird dieses nicht automatisch angeschafft. Manchmal wird das Gerät durch eine öffentliche Ausschreibung der übergeordneten Behörde oder Organisation vorgegeben – begleitet mit der stillen Hoffnung, das auserkorene Modell möge von den Rettungskräften angenommen wird.

Defibrillatoren gehören heute zum Standardequipment im Notfalleinsatz. (Bild: RKiSH)

Der große Vorteil einer organisationsübergreifenden Anschaffungsentscheidung ist die Konformität: Wenn alle Kollegen das Defibrillator-Modell kennen und nach den Vorgaben des Medizinproduktegesetzes eingewiesen worden sind, können und dürfen sie den Defibrillator einsetzen.

Doch auch Nachteile sind denkbar. Zum Beispiel, dass nicht zwingend das ideale Defibrillator-Modell den Zuschlag erhält. Mitunter sind die angebotenen Konditionen oder der Preis ausschlaggebend. Dies ist oftmals dann der Fall, wenn die Entscheidungsträger nicht aus dem aktiven Dienst kommen und ausschließlich die Kosten-Brille aufsetzen. Die Einsatzkräfte müssen sich dann mit den vorgegebenen Bedingungen arrangieren. Bedacht werden sollte dabei aber folgendes: Je höher die Akzeptanz eines Geräts bei den Anwendern, desto geringer ist erfahrungsgemäß die Ausfallquote. Ein Defibrillator beispielsweise, der ständig mit seiner umständlichen, unlogischen Bedienung nervt, wird keine Wertschätzung erfahren und entsprechend schlecht behandelt werden.

Checkliste Defibrillator-Kauf

Grundsätzliche Voraussetzungen:

• Für welche Einsätze soll der Defibrillator primär angeschafft werden?
• Sind Ersatzteilversorgung und Service gewährleistet?
• Gibt es einen regionalen Ansprechpartner des Herstellers?
• Liegen positive Erfahrungsberichte von anderen Nutzern vor?
• Sind Anwender in die Kaufentscheidung eingebunden und mit der Anschaffung einverstanden?
• Erschließt sich allen Mitarbeitern das Handling des Geräts?
• Kann der Defibrillator auf die Bedürfnisse bzw. den Ausbildungsstand der Anwender entsprechend konfiguriert werden?
• Ist gewährleistet, dass alle Anwender fachgerecht eingewiesen werden können?
• Gibt es im Betrieb einen MPG-Beauftragten?
• Sind von den Mitarbeitern akzeptierte Qualitätskontrollen und Fortbildungen gesichert?
• Gibt es Kooperationen mit Schwerpunktkliniken zur Fortbildung?

Auch im Krankentransport werden mitunter Defibrillatoren mitgeführt. (Bild: Weinmann)

Einsatzzweck Notfallrettung/Krankentransport:

• Wie ist die überwiegende Einsatzstruktur? Sind die Rettungskräfte oft allein unterwegs bzw. müssen lange auf einen Notarzt warten?
• Welche Qualifikation haben die Rettungskräfte, die überwiegend mit dem Defibrillator arbeiten werden?
• Muss der Patient oft oder selten alleinverantwortlich versorgt werden?
• Wie sind die infrastrukturellen Gegebenheiten des Wachgebietes?
• Muss der Patient über große Entfernungen transportiert werden oder sind Kliniken schnell erreichbar?
• Mit welchen Geräten arbeiten die Arztpraxen und Kliniken in der Umgebung?
• Passt der neue Defibrillator in den Rettungswagen und zum gesamten Fuhrpark?
• Gibt es Adapter oder Passungen zu älteren Halterungen oder Halterungen anderer Hersteller?
• Sind Defibrillatoren im Rettungsdienstgebiet Standard ?
• Ist das ausgewählte Modell mit denen der anderen Rettungsdienste im Umkreis kompatibel?

(Text: Helmut Stark, Rettungsassistent und Journalist)

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